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Mittwoch, 28. September 2005

Meine Sprache ist es nicht

Nachdem jetzt endlich auch für den kleinen Ausländer ein benutzbarer und ständig zugänglicher Internet in der kleinen Province PACA gefunden ist, melde ich mich hiermit zurück. Und damit das ganze nicht ein bloßes EsgehtmirgutdaswetteristschönunddieLeutenett-Eintrag wird, gleich eine Kritik zu jenem Buch, das ich in den letzten Wochen am meisten studiert habe.
Die Firma Langenscheidt hat sich zwar in den letzten Monaten durch zweifelhafte Ausflüge ins Komik-Fach selbst ins Abseits gestellt, tut aber auf anderen Gebieten durchaus ihr Bestes, brauchbare Hilfe für Fremdsprachenlerner zu bieten. Besonders für den jüngeren Ausläder ist das formschöne Power Wörterbuch Französisch gedacht, welches die übliche Liste von Worten durch kurze Artikel zu kulturellen Unterschieden und sprachlichen Besonderheiten aufzulockern sucht. Besonders angenehm sind die Warnungen vor typischen Fehlerquellen hinsichtlich der Aussprache oder unregelmäßigen Verbformen, die ja gerade im Französischen fast schon regelmäßiger auftreten, als die Regel selbst. Natürlich kann dieses kompakte Nachschlagewerk nicht den gesamten Sprachschatz abdecken, hilft aber effektiv im täglichen Sprachgebrauch und fällt durch seine ausdrückliche Ausrichtung auf den gesprochenen Dialog positiv auf. Diese Eigendefinition stellt jedoch gleichzeitig auch den einzigen Nachteil des Werkes dar, die Orientierung auf ein junges Publikum scheint die Redaktion gleichzeitig gehindert zu haben, Schimpfwörter ins Programm aufzunehmen. Jugendschutz schön und gut, aber ein "Arschloch" pro Tag geht wohl jedem 14-jährigen täglich über die Lippen. Wer schon einmal ein Wörterbuch "Deutsch-Frau/Frau-Deutsch" verlegt hat, hätte wohl hier auch aus dem vollen schöpfen können. In diesem Sinne: Schüler Langenscheidt, setzen, 2 bis 3.

Dienstag, 13. September 2005

schreiben über pop

thomas venker, könig des besten speximitats "intro", hat seine gesammelten besten intro-texte und was sonst noch so anfiel zu einem erstaunlich unbemüht wirkenden organischen ganzen namens "ignoranz und inszenierung" kompiliert, das den blick hinter die kulissen des deutschen popjournalismus wagt. in vier kapiteln folgen thematisch geordnete interviews/sonstige textchen, jeweils von in die thematik einleitenden essays eröffnet. venkers anliegen einen guten (d.i. verknüpfung von pop- und gesellschaftlichem diskurs anstrebenden) musikjournalismus zu propagieren, wird geräumig platz eingeräumt, sein grunddenken "ja, aber" (ja, man kann guten musikjournalismus machen, aber es wird halt immer schwerer. ja, man darf seine eigene interpretation und subjektivität einbringen, aber was die band sagt, muss man halt auch beachten...) bleibt dank mantraartiger einbläuung auch irgendwann hängen. mit dabei sind u.a. moby, bowie, tocotronic, björk, radiohead und eine lesenswerte kurze einleitung in die geschichte des popjournalismus. alles in allem wie die intro: ein bißchen "ja, aber", nicht lebensnotwendig, aber gut gemeint und gut gemacht.



thomas venker: ignoranz und inszenierung, ventil, 2003, 252 seiten und ein schönes cover feat. jarvis cocker



julie (was macht eigentlich heute?) burchills poptextkompendium "julie burchill über diverse sachen" gibt einblick in fremde und dunkle kulturen der vorzeit (die ja momentan zu zitieren nicht ganz unangesagt ist), was für spätgeborene zwar nicht immer leicht zu verstehen, aber sehr lustig ist. keine ahnung, wer die leute alle sind, gegen die sie da dahinschwadroniert, aber sie macht es gut, und wahrscheinlich waren es auch die hassenswerten. ein leichter touch kulturpessismus (spießige antipophaltung, method-acting-schmähung) und antiamerikanismus vergrätzt das lesevergnügen zwar ein bißchen, aber das "muss man wohl aus der zeit heraus verstehen".



julie burchill: über prince, pop, elvis, kommunismus, madonna, hausfrauen, annie lennox, feminismus, michael jackson u.a., kiwi, 1987, 207 seiten, kein link zu kiwi, weil die sie nicht neu auflegen



diedrich diederichsens "freiheit macht arm" muss sich auch nicht kaufen, wer in den frühen neunzigern brav die richtigen zeitschriften gelesen hat, die anderen können es auch nicht, weil vergriffen, die leihbibliothek um ihre ecke führt jedoch hoffentlich dieses kleinod der popschreibe. 9 verschiedenste themen, die gerade anlagen, werden in 9 aufsätzen mit einer apodiktik traktiert, wie sie eben nur der chef persönlich hinkriegt: die spex-analogie (x verhält sich zu y wie a zu b), pop, politik und "was in all meinen büchern steht und auf allen platten drauf ist, die ich je gehört habe, nebst dem, was ich alles dazu denken kann". am besten hat mir der vorletzte aufsatz über das kollektive wissen von 1984 gefallen: "ganze abende wurden damals mit dem zurufen von namen verbracht: wer ist besser, elfriede jelinek oder marlon brando, george a. romero oder jean jacques burnel, sempè oder der pyrolator, käptn nuss oder roy lichtenstein...". oder wie sagte man doch früher mal: gehört in jede gut sortierte hausapotheke.



diedrich diederichsen: freiheit macht arm. das leben nach rock'n'roll, kiwi, 1993, 283 seiten

Samstag, 27. August 2005

gegen die welt, gegen das leben

joris-karl huysmans, geschätzt von eigentlich allen und speziell zum beispiel von oscar wilde, der seinerseits nur ganz knapp daran vorbeigeschrammt ist, das motto meines eigenen kleinen blogs ("youth, it's wasted on the young") zu geben, wurde zeit seines lebens nicht nur von neurasthenie und glaubensverirrungen heimgesucht, sondern hat mit "gegen den strich" auch noch das buch geschrieben, das ich künftig immer in der "und jetzt kommen wir zur frage nach deinem lieblingsbuch"-situation anführen werde, weil es so schön alt und französisch ist, das macht sicher eindruck.

jedes wort über diese orgie des exzesses, dieses manifest der weltflucht und des dagegenseins verfällt mir heute in blöden feuilletonjargon, also lest es selbst, und seid bezaubert.



joris-karl huysmans: gegen den strich, übersetzt von hans jacob, ullstein, 1972, 189 seiten

Donnerstag, 28. Juli 2005

weingartner für fortgeschrittene

zu andreas maier, dem wie schon bemerkt best angezogensten (zusammen? auseinander?) autor der heurigen tage der neuen deutschsprachigen literatur, meinte eine kommilitonin mir gegenüber nach seiner lesung, mir gefalle sowas eben, ich sei doch so. der himmel weiß, wie sie das genau gemeint hat, aber es stimmt.

andreas maier fackelt in seinem neuen roman "kirillow" (ja, dostojewski, sie können sich jetzt wieder setzen) nicht mit kleinkram herum, es geht in aller größenwahnsinnigen bescheidenheit um wahrheit, um wahres und richtiges leben.

ein paar exempelfiguren und diverses nebenpersonal, studenten in frankfurt und ein paar merkwürdige russlanddeutsche, suchen, verzweifeln und finden in selten momenten völliger klarheit (vollrausch) ihre wahrheit. auf 350 seiten also ca. 3 monaten machen sie natürlich nichts außer herumtreiben, tagedieben, trinken und eben immer nur reden. weil es im valschen kein wahres leben geben kann, wie ein anderer vor ihnen schon gewußt hat, können die, die "sich gar nicht kontrollieren wollen, weil das für sie wahrheit ist" nur erkennen, dass sie "immer im falschen sein müssen, weil sie selbst das falsche sind" nur "gar nichts machen, das ist das einzige, was man tun kann." letztlich suchen sie halt einen sinn, in dem, was sie nicht tun, oder eben jemand für zungenküsse oder zum ficken.

ein roman also wie es sein soll: keine handlung, nur ideen und t-shirt-sprüche (und was für welche).

die wahrheit lässt sich nicht sagen, sie ist lächerlich und pathetisch. "sie langweilt, weil sie jeder weiß. deshalb ist sie ja die wahrheit, weil sie jeder weiß." darum muss das auch so merkwürdig erzählt sein: man bekommt immer für ein paar seiten innensicht in eine figur, die dann ihre wahrheit erklären will, die sich aber nicht sagen lässt, die dann also immer falsch ist, und so kommt nur schwachsinn heraus. die eine figur verzweifelt daran ("man ist nur dann ein mensch, wenn man es nicht aushält.") und verzweifelt noch mehr am nicht-verzweifeln der anderen, die andere ist schon früher verzweifelt ("hat ihren frieden gemacht" nennt man das). man tut also wieder so, als hätte man sich die frage nie gestellt, wie das gehen soll, ein richtiges leben. das verhalten der anderen figuren erscheint auch immer nur krank und rätselhaft, wie es eben ist. da widmet man sich lieber wieder "beliebigen gesprächen zwischen befürwortern und und gegner der einen oder anderen gesellschaftsform".

oft reißen die gesprächsprotokolle dann auch einfach ab, man muss es nicht noch genauer vormachen, es kommt nur mehr blablabla, "das ist die ideale übersetzung von etcetera. man müßte immer sagen: taxifahrer etcetera, der und der etcetera, und dann hätte man die welt in ihrem gerede, in ihrem blablabla, kurz: in ihrem zustand.

maier, andreas: kirillow, frankfurt am main, suhrkamp, 2005, 349 seiten.

Dienstag, 26. Juli 2005

jetzt heißt ja immer wieder nochmal jetzt

man kann auch panik dazu sagen.

es kann schon sein, dass ich in gesprächen oder natürlich auch drüben im klimbim oder auch hier ab und an schon mal erwähnt habe, dass mir einige bücher von rainald goetz recht gut gefallen. manche dinge kann man aber gar nicht oft genug sagen, darum: "jahrzehnt der schönen frauen" ist zwar nicht neu, aber es muss doch auch nicht immer alles neu sein.

"jahrzehnt der schönen frauen" gehört irgendwie schon zu "heute morgen", irgendwie auch nicht, es ist eben alle ordnung wahnhaft. für den nicht-fan eignet es sich deshalb wegen der verknüpfungen zu den anderen büchern des "heute morgen"-projekts eventuell ganz gut als einstiegsdroge (ebenso wie die anderen bücher des "heute morgen"-projekts als einstiegsdroge für "das jahrzehnt..."), eventuell aber auch nicht, verstehe jemand anders nicht-goetz-fans, ich jedenfalls nicht.

der fan, an den es sich denn also doch in erster linie richtet, kennt den ersten teil, die krank-gedichte, natürlich schon, und den zweiten teil, die kaputt-interviews auch, wenn er nicht so ignorant ist wie ich und im letzten jahrtausend nicht zeitung gelesen hat.

die gedichte sind eben gedichte, als fan schluckt man das schon, und als gedichte sind sie zumindest kurz. in den für mich neuen interviews sagt er auch nichts anderes, als im rest von "heute morgen" auch schon. das jetzt-tagebuch ist irgendwie so, wie man sich das erwartet hätte, jetzt-tonfall, nur in goetz. der text mit von uslar am ende bietet sich dagegen ganz gut zum einsteigen ins buch an, das ist irgendwie anders als der rest.

alles in allem also natürlich, wie man schon aus der verlagsinfo schließen könnte, purer nepp, schreit zumindest der preis-leistungs-vergleicher und liegen-am-pool-reservierer, aber als fan kann man nun mal nicht darum herum und wird natürgemäß begeistert sein. sinnlos jetzt im einzelnen aufzuzählen, was genau alles ich an ihm richtig und wichtig und gut finde, aber goetz ist halt goetz, so viele lieblingsautoren hat man nicht, wo man 2, 3 seiten liest, und immer nur einknickt, unterstreicht, notiert, denkt: ja ja und ja. und irgendwann erscheint schon wieder was neues, muss ja.

goetz, rainald: jahrzehnt der schönen frauen, berlin, merve, 2001, 215 seiten

Dienstag, 19. Juli 2005

man kann nicht auf deutsch darüber singen, dass man auf deutsche titel scheißen soll

ich habe ja derzeit außer am pc keinen funktionierenden cd-player und meine cds auch immer noch nicht alphabethisch geordnet, höre also nur mehr radio und was eben so aktuell so rumliegt und in den meisten fällen ist das wohl auch gut so. für alle anderen fälle gibt es uwe schüttes „basis-diskothekt rock und pop“, könnte man jetzt überleiten, wenn es stimmte, allein es stimmt nicht.

uwe schütte hat sich gedacht, muss ja nicht immer nur die ß eine diskothek machen, mach ich mal selber. die hehre absicht ehrt zwar, doch das gegenteil von gut ist gut gemeint.

mit der auswahl der bands hat er sich nicht viel an provokation angetan: sind halt die, auf die sich sicher alle irgendwie einigen können, bisschen viel uk in den frühen 80ern vielleicht, aber das ist ja auch klasse musik. bei hundert alben fehlt natürlich immer viel und außer the police ist kaum was wirklich arges dabei. für deutschland sind nur fehlfarben, can, neubauten und kraftwerk am start, was wohl insgesamt irgendwie stimmt. frauen spielen in der auswahl keinen rock’n’roll, was nicht stimmt und nicht verteidigt wird. lustig ist dafür die alphabetische anordnung: simon & garfunkel kommen nach den pistols, das macht freude.

die fehlenden kracher in der artistauswahl holt schütte dann auch brav in der einzelalbumsauswahl nach, weiß doch jedes kind, dass das weiße album sgt.pepper und die druqks come to daddy vorzuziehen ist. ein schelm, wer nirvanas nevermind nicht bespricht, dafür aber die klingeltonwerbungssender-sessions.

über diese kleinen fachlichen fehler, die bei der fülle des materials schon mal passieren können, will man noch gütig hinwegsehen. die beatie boys waren, so die offizielle geschichtsfälschung, auch vor hello nasty keine „bierseelige klamauktruppe“, wie schütte fälschlicherweise annimmt, sondern hoch intelligente popstars, die nur so taten, als ob, aber: geschenkt, niemand kann alles wissen.

schütte liebt das detail, und schütte liebt die ordnung: kein album, zu dem wir nicht die lebensläufe aller beteiligten, eine heitere schnurre aus dem studio (dessen namen nie fehlt), eine genaue beschreibung des covers und darüber hinaus nichts erfahren. so interessant die anzahl der studiotage jedes einzelnen beach-boys-albums zwar ist, das kunststück des schreibens über pop ohne selbst pop zu sein erreicht damit seine perfektion: reclams opernführer könnte nicht uninteressanter sein.

die wirklich entscheidenden 2 oder 3 dinge beim pop-schreiben fehlen: kein ich, das von sich plappert, über schütte erfährt man bis zum ende (neil young) nichts, keine unverschämt geklauten zitate, keine spiele mit der form, kaum bemerkungen, was es heißt, die jeweilige musik zu mögen, kleidungs-, frisuren-, drogen-, und hipnesstechnisch, keine apodiktischen provokationsurteile, achja, und punkplatten bespricht er auch grundsätzlich nicht außer alibi-god-save-the-queen.

in dieser reinheit ist das fast schon wieder klasse, keine noch so abgelutschte phrase fehlt: bässe wummern, schlagzeuge rumpeln, gitarrenriffs der supergruppe brettern und donnern ordentlich dahin, nur 1000 einheiten wurden was? ja: gepresst und dann abgesetzt. der pop und der punk spiegelt sich in, und das ist die beste: emblematischen covern wieder. leider irritieren in dieser klischee-sammlung dann doch selten gestreute witzige aphorismen wie der, dass man sich dylan nicht von seinen fans (esoteriker, männliche nostalgiker und weltmusikhörer) vermiesen lassen dürfe.

das blöde nachwort hätte es dann auch nicht gebraucht, popkulturpessismus go home. man kann natürlich auch gutes über diese basis-diskothek sagen: wenn unsere ururenkel sich die liste später mal durchlesen, haben sie was, wo sie anfangen können. für uns bewohner des 21. jahrhunderts ist das beste, was man davon hat, dass man lust kriegt, die alten platten mal wieder zu hören. zumindest als ich es gelesen haben, habe ich bei den platten aus den 90ern immer gedacht, die war doch wirklich gut, könnte man wieder mal hören und nicht immer nur den blöden gitarrenkrach, der jetzt halt so zu hören ist. waren aber dann meistens eher enttäuschungen, ist schon gut so, dass man das ganze alte zeug mal für ein paar jahrzehnte vergisst, unser jahrzehnt zitiert gerade eh ein viel brauchbareres als das, das die 90er zitiert haben. und das, was die 90er neu gemacht hatten, wird irgendwann auch nicht mehr so blöd vorbei klingen, außer aphex twin natürlich.

schütte, uwe: basis-diskothek rock und pop, stuttgart, reclam, 2004, 231 seiten und keine einzige abbildung

Sonntag, 5. Juni 2005

Denken in weitesten Sinne

Die Mitglieder einer deutschen Diskursrockband, deren Name dem hier vorgestellten Buchtitel nicht ganz unähnlich ist (Zufall) antworten gerne dem ihnen in Interviews oft gemachten Vorwurf, ihre Musik sei zu verkopft, dass denken auch Spaß machen könne. Spaß macht auch Gendertronics, ein Reader mit Aufsätzen der üblichen Verdächtigen unter den Verkopfte-Popmusik-Apologeten aus dem Umfeld von Spex, club transmediale und restlicher Pop-Intellektuello-Schreibe.

Die Grundthese (elektronische Musik hat die Welt auch nicht verbessert) ist zwar traurig, aber das macht fast nichts. Man muss gar nicht alles verstehen oder unterschreiben können, diese herrliche Theorie ist eh nur als Entschuldigung dafür da, dass man das, was man zufällig schon gut findet (Rums-Bums-Musik, postmoderne Theorie und Feminismus in dem Fall), guten Gewissens noch besser finden kann. Meinecke palavert mit Bonz über irgendwas, Karnik hat einen Fanbericht zu Cunningham geschrieben, Diedrichsen schwebt ihn Höhen, zu denen leider niemand außer er mehr Zugang hat und Brillowska zeichnet düstere Sci-Fi-Visionen, um mal nur ein paar wahllos rauszugreifen. Das ist alles sehr vielfältig, selten blöd und nie langweilig. (Und: Ja, der Band tut der beklagten zahlenmäßigen Unterrepräsentanz weiblicher Akteure im Gebiet keinen Abbruch) Dazu gibt’s noch zum Niederknien hübsche Zeichnungen von Jan Rohlf und persönliche Statements, wie man so schön sagt, von den Künstlern Miss Kittin und Marc Weiser.

Eine Lösung für die enttäuschten Versprechen der elektronischen Tanzmucke finden die AutorInnen leider nicht, und so ganz kriegt man den Eindruck nicht los, dass halt doch der VÖ-Termin schon nahe und dann hat die Herausgeberin eben nochma gefragt, wie das denn jetzt so ist und zackwums morgen früh am Schreibtisch, aber egal - trotzdem 10 von 10 Discokugeln (und in der besten aller möglichen Welten ist so was Grundlage fürs Einführungsseminar fürs Grundstudium Popmusik mit Wahlfachstudiengang Coolness, und hey, hast du schon mal wo "im Zeitalter der Post-Ironie" gelesen, na eben.)

(Ich hätte ja auch gerne noch mal eine Stelle zum Andiskutieren hier rausgecopypastet, aber wo soll man denn da anfangen. Also bitte selber lesen, selber reflektieren im stillen Studierzimmerkämmerchen.)

Jansen, Meike [Hrsg.] : Gendertronics. - Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2005

Sonntag, 10. April 2005

Der König von Amerika

Alles, wofür er bekannt ist, hat er nicht erfunden. Weder Mickey, noch Donald oder Pluto stammen aus seiner Feder. Nicht einmal der berühmte Schriftzug, der Kindern und Erwachsenen auf der ganzen Welt zum Symbol für Familienunterhaltung wurde, stammt von ihm. Walt Disney ist nichts als ein gemeiner Dieb. Dieser Meinung ist zumindest William Dantine, der Ich-Erzähler von Peter Stephan Jungks Roman-Biographie „Der König von Amerika“. Seit der Zeichner bei Disney gekündigt wurde, ist er von der Person Walt Disneys regelrecht besessen. Mit manischer Akribie sammelt er Informationen über das Leben Disneys, befragt Menschen aus dessen Umfeld, tut alles, um seinem Idol nahezukommen. In Dantines Bestrebungen spiegelt sich die Problematik der Gattung Biographie im Allgemeinen: Wie kann ein Text einer realen Person entsprechen? Was macht diese Person überhaupt aus? Eigentlich muss das Ziel einer Biographie, das Verstehen einer Person, fast zwingend unerreichbar bleiben. Mit dem Kunstgriff, den Ich-Erzähler als ordnende Instanz in einem Geflecht von mündlich tradierten Anekdoten und Begebenheiten einzusetzen, reflektiert und meistert Jungk gekonnt diese Problemstellung. Denn auch Dantine kann trotz eifrigster Recherche den Menschen hinter der Marke nie vollständig begreifen. Doch der Umstand, dass dieser Erzähler von Disney zu gleichen Teilen fasziniert wie auch abgestoßen wird, lässt für den Leser ein äußerst differenziertes Bild dieses „Königs von Amerika“ entstehen. Die Figur Disney wird kunstvoll demaskiert, aber nie bloßgestellt. Ein geglückter Blick hinter die Kulissen eines amerikanischen Mythos.

Peter Stephan Jungk: Der König von Amerika; (Suhrkamp Taschenbuch, €8,80, 243 Seiten)

Freitag, 8. April 2005

Zimmer mit Sonnblick

Mit einiger Verspätung nun doch noch ein Nachbericht zu den Rauriser Literaturtagen, bei denen ich letzte Woche im Rahmen einer Uni-Exkursion zugegen sein durfte. Es hätte schneller gehen können, doch nach eingehendem Studium jener Notizen, die ich mir in bester Reise-Manier gemacht hatte, musste ich beschließen, dass dieser pseudomelancholische Stimmungsschwachsinn, der sich da breit gemacht hatte, sicher nicht am Blog noch einmal aufgewärmt werden sollte. Deshalb jetzt ein Rückblick, der weitgehend aus dem Gedächtnis kommt. Und die Erinnerung haben wir, wie Urs Widmer gesagt hat, sowieso erst in einem Jahr.

Wer nicht unbedingt weiß, wo Rauris liegt, hat das selbe Problem wie ich vor zwei Wochen. Und auch während der Anreise löst sich das Problem nicht wirklich. Rauris versteckt sich. Ein Bahnhof, den man sich mit einer anderen Gemeinde teilt und der einem das Gefühl gibt, ein Ticket ins Nirgendwo gelöst zu haben. Dann eine Busfahrt hinein in ein Tal, die Berge schließen sich hinter einem wie Sargdeckel. Und dann dieser kleine Ort, der von Anfang an seine Provinz nicht leugnet. Schließlich die Frage: Was zum Teufel machen Literaturtage an einem derart gottverlassenen Ort? Die Antwort, keine Ahnung, aber sie machen es gut.

Mitwoch, 30. 3.05
Die Eröffnung konnte dem Provinzmief noch nicht wirklich etwas entgegensetzen. Nicht enden wollende Lobhudeleien von Bürgermeistern, ihren Stellvertretern und Stellvertretern von Landeshauptleuten, ORF-Fuzzys und ähnlichem. Und schließlich die ersten Worte einer Frau, die uns in diesen Tagen noch öfter begegnen sollte, sowohl als Moderatorin, als Organisatorin und als Laudatorin: Brita Steinwendtner, der Mensch gewordene Konjunktiv. Kein Satz, der sich nicht mit "vielleicht" einleiten ließe. Vielleicht könnte, sollte, müsste man, ja, vielleicht. Und all das gegossen in eine Stimme, die ohne Weiteres eine Sendung wie die Ö3-Kuschelecke moderieren könnte (gibts die noch?- anno dazumal von einem gewissen Dominic Heinzl moderiert, der an dieser Stelle noch einmal kräftig verachtet sein soll). Die Stimme rief dann nach quälenden Minuten endlich die Preisträgerin des Rauriser Literaturpreises aufs Podest: Christine Pitzke, die den Preis für ihren Debut-Roman "Versuche den Morgen zu beschreiben" erhielt, stakste verhalten auf die Bühne. Man dachte an einen Franzobel-Text: "jetzt wirst du preisgegeben." Nachdem auch sie sich noch letzte Dankesworte abgerungen hatte, setzte sie zu einer Lesung an, während der schon erste Opfer einschlafen. Darunter auch einer der begleitenden Professoren.

Donnerstag, 31.3.05
Morgens Studentischer Arbeitskreis mit der Preisträgerin, in dessen Rahmen einem Buch, welches seinen Hauptreiz aus allgegenwärtigen Leerstellen bezieht, sämtliche Mysterien genommen wurden. Nachmittags Lesung des Förderpreisträgers Peter Blaikner, der mit pfiffigem (und das Wort sollte schon stutzig machen) Holzhammerschmäh die Geschehnisse während der Salzburger Bauernaufstände (um 1500) vertextete.
Und abends schließlich die Fahrt auf die Heimalm, zu den Lesungen von Peter Steiner und Dietlind Antretter, die in Anwesenheit der gesammelten Haymon-Verlagsmannschaft, ihren Debut-Roman "immer wie immer" präsentierte. Nicht unbedingt Weltliteratur, aber eine Stimme, von der man sich den ganzen Tag lang vorlesen lassen will. Diesen leicht ins sphärische gleitenden Ton hielt dann auch Peter Steiner durch, zumindest thematisch. Passend zum Motto der Literaturtage (Worte und Orte) las er aus drei Werken, die an allen erdenklichen Flecken der Erde spielten, von Südamerika, bis there, and back again. Zu bemerken war, dass es offensichtlich nur in Rauris möglich ist, eine Lesung von mehr als zwei Stunden Länge zu machen, während das Publikum trotzdem aufmerksam bleibt. Wahrscheinlich die Bergluft. Apropos Berg: Der Ort für Steiners Lesung hätte, wie mir A. erklärte gar nicht besser gewählt sein können. Der Vorname, Peter, also Petrus, der Stein, dann der Nachname, Steiner, schließlich die Tatsache, dass er eigentlich Geologie studiert habe und dann auch noch die Lesung auf den Hängen eines Berges. Oft kommt einfach alles zusammen.

Freitag, 1. 4. 05
Wieder ein Einstieg in den Tag mit einem studentischen Arbeitskreis, diesmal mit dem Schweizer Urs Widmer. Diesmal führten das Gespräch wir und nicht die euphorisierten, sehr taktil veranlagten Salzburger (da war einer, der jedem mit dem er sprach kumpelhaft die Hand auf die Schulter legte. Man hätte sie ihm abhacken sollen). Den Nachmittag vertrieben wir uns auf einer Stör-Lesung (kurz erklärt: Dichter lesen in Eigenheimen), einem genuin Rauris'schen Phänomen, welches man überall auf der Welt einführen sollte.
Das Abendprogramm bot dann zwei Autoren, die viel bekannter werden sollten, als sie es sind. Einerseits Leo Tuor, einem von ca. 40000 Sprechern des Sursilvan, der trotz dermaßen geringem Publikum, seine Bücher in genau diesem Dialekt des Rätoromanischen verfasst. 14 Jahre als Schafhirte auf der Alm hätten ihm ein Gefühl für Massenmanipulation gegeben, sagt er: "Wenn ein Schaf über den Abgrund stürzt, würden alle Schafe über den Abgrund stürzen, sagt man. Ich habe das eher bei Menschen bemerkt." So schafft man sich Freunde.
Der Abend gipfelt dann in einer Doppellesung von Karl Markus Gauß und Peter Stefan Jungk, denen man anmerkte, dass sie einmal Schulfreunde waren. Einziges Manko war die bereits stark spürbare Betrunkenheit meinerseits sowie die Saaltemperatur. O-Ton Jungk: "Wie lang lesen wir eigentlich? Jetzt ist es eine Stunde. Wenn ich auf eine Lesung gehe, bin ich nach einer Stunde völlig erschöpft." Widersprochen hat ihm niemand.

Samstag, 2. 4. 05
Das "Gespräch über die Kindheit" leitete den Tag ein und präsentierte als Teilnehmer neben Tuor, Gauß und Jungk vor allem ein neues bzw. frisch angekommenes Gesicht: Herta Müller (die sich bei mir später noch derart unbeliebt gemacht hat, dass sie hier sicher nicht verlinkt wird). Sie ließ sofort bemerken, dass mit ihr nicht gut Kirschen essen ist. Niemals zuvor war Verbitterung so greifbar.
Nachmittags dann, für mich, der eigentliche Höhepunkt des ganzen. Nach der Friedrich Zauner, der bekömmliche Geschichten aus dem Niederösterreich der Neunzehnhundertwende zum Besten gab, betrat endlich der göttliche Franzobel die Bühne. Wie immer gackerte der Saal, nach einer kurzen Aufwärmrunde, munter drauflos und so viele Bücher wie an diesem Tag, hat der gute Stefan Griebel wohl schon länger nicht mehr zu signieren gehabt.
Finale der Literaturtage fand dann Abends in der einzigen ****-Absteige in Rauris, dem Rauriser Hof, statt. Nach dem Bereits erwähnten Urs Widmer und der noch einmal verteufelten Herta Müller betrat der alt ehrwürdige Milo Dor die Bühne. Ein großer Mann, dass ließ sich nicht leugnen. Und wer mit 82 Jahren noch so blitzgescheit mit seinem Publikum umgeht gehört geliebt. Dementsprechend auch der wunderbare Abschluss des Abends mit dem Text "Die erste Liebe". Milo Dors Erinnerung an seine erste Schreibmaschine, die er irgendwann verkauft, als er sich eine neue zulegt. Zitat: "Ich habe meine große Liebe für ein billiges Flittchen eingetauscht." Wir drücken uns derweil eine Träne im Augenwinkel aus - denn man kennt das Problem. Sauer schmeckt das Brot der Einsamkeit.

Mittwoch, 23. März 2005

Russendisko

Vladimir Kaminer ist ja mittlerweile kein Unbekannter mehr. Umso schwerer wiegt die Tatsache, dass man noch nichts von ihm gelesen hatte. Also pilgerte man fleißig in die Bibliothek seines Vertrauens und sah nach, womit man sich denn dort netterweise vom Studium ernsterer Schriften abhalten könnte. Die Wahl fiel auf Russendisko. Gut. Licht aus, Strobo an, Vodkaglass füllen, bitte, danke.
"Russendisko" funktioniert als Buch im Grunde gleich wie das was man sich unter der realen Veranstaltung vorstellt: Frauen, Vodka, Gelächter und Tracks, die miteinander nicht viel zu tun haben, aber einzeln großen Spaß machen. Kaminer referiert aus dem Leben eines Russlanddeutschen, von den eigenwilligen Blüten, die der Clash zwischen Wurzeln und neuer deutscher Heimat bisweilen treibt. Vor allem offenbart sich Kaminer dabei als Meister der Punchline, als humoriger Kommentator alltäglicher Situationen, denen er durch ironische Brechung eine gewisse Tiefe verleiht. In aller Kürze reiht sich so Text an Text, Figuren tauchen auf und verschwinden wieder, die Geschichten erlangen nur durch die konstante Präsenz des Erzählers einen Zusammenhang. Und nach 190 Seiten geht es einem, wie nach dem Besuch einer Disko: Zwei bis drei Lieder hat man sich gemerkt, den Rest vergessen, klar ist nur, dass man sich gut unterhalten hat.

Vladimir Kaminer: Russendisko; Goldmann, 2000
Leseprobe: Russen in Berlin

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