weltzustand

Montag, 24. Oktober 2005

ich möchte nicht reden müssen

interesseloses wohlgefallen
gespräch mit c. über alles. dann waren ihre zigaretten alle und ich fuhr mit meinem rad heim. wir hatten gesprochen über unsere befindlichkeit, unsere postpostgeneration und wie viel sie ganz ähnlich sieht, dass die brüchigkeit und unsicherheit und verwirrtheit, die man spürt, zwar richtig ist, aber falsch und dass sie auch keinen ausweg weiß und selber auch versucht, die ausrede für dieses falsche leben, das wir leben, zustande zu bringen und dass das aber nicht genügt, vor allem, wenn man es so schlecht macht wie wir. dann saßen wir beide da und wussten nicht, wie wir weitermachen sollten und erzählten uns dinge über unsere falschen eltern und ich ließ sie zu wenig zu wort kommen. davor hatte mir a. gesagt, über die ich zuvor mit a. übereingekommen war, dass wir sie gut finden, dass sie versuchen will, text zu machen daraus, wie das ist, den tag in der stadt herumzulaufen, alles eben, und ich mich freute, dass sie das auch so sah und sagte: ja.

frisst auch die erkenntnis an
von diesem überüberanstrengungshorrorfreitag dann viel zu sehr fertig zu den türen. mit a., bevor es anfing, darüber, ab welchem abstraktionsgrad sich die möglichkeit der voraussetzung denken ließe, dass wir wieder teile von jugendbewegungen sein wollen würden. ich wollte immer nur die zwei sätze sagen „darüber lässt sich trefflich streiten“ und „das ist das trefflichste, das ich je geschaut habe“.
die türen spielten dann ein oder zwei lieder mehr zu meiner generation, mit so vielen so gemeinen nichtironieironiezitaten vollzitiert, dass man dachte, die wollen nur spielen und dann. ich musste an den vorabend denken, und an das, was ich c. gesagt hatte. spaß macht mir keine freude, sangen die türen dazu. am besten fand ich, dass das alles immer noch funktionierte, dass viele leute das nicht verstanden, dass hässlich immer noch das neue schön sein konnte, für weniger als 5 oder 15 minuten. a. meinte danach zwar, dass andere bands derzeit den mainstream der rückgriffsformfindung der verwirrtheit unseres dagegenseins noch besser, also mittiger, träfen, aber damit hatte sie vielleicht auch recht.

man muss, wenn man überhaupt etwas sagen will, übertreiben
am samstag bin ich mit meinen bösen falschen freunden zweifel, angst und den büchern in den park gefahren und habe den ganzen nachmittag fontane gelesen und war auf der hinfahrt ganz weinerlich, dass das alles vielleicht bald vorbei sein wird und habe auf der rückfahrt einen citroen ds gesehen.

seid vielheiten
abends hatte g. mir gesagt, ich würde nicht wirklich finden, dass alle menschen gleich aussehen sollten. dann war ich wegen m., dem ich das eigentlich versprochen hatte, noch einmal zurückgefahren und hatte dort gedacht, dass es gut ist, dass ich dort nicht mehr hingehöre. heute stapelweise mittelschulkunstunterrichtsarbeiten weggeworfen, oder eigentlich waren das schon damals immer nur vorüberlegungen zu projekten, die ich dann nie gemacht hatte, schon damals, wenn die idee gut ist, muss man sie nicht machen auch noch. bei einem entwurf stammte die halbe idee von f., wobei ich da auch erst jahre später den hintergrund dazu erfahren habe. was für ein abseitiger schwachsinn in eine mittelschulkunstunterrichtsvorarbeitenmappe kommt.
goetz, den a. mir am freitag aufgenommen hatte, nachgehört, überlegt, dass das auf ö1 nicht funktioniert, also richtig ist, aber auf fm4 auch nicht gehen würde. gutes gefühl, und sehr verwirrend. welsch transkulturalität, bachmann-medick kulturanthropologie, bhabha dissemination, bürger theorie der avantgarde und kritische literaturwissenschaft und benjamin über den begriff der geschichte gelesen, nichts verstanden, einmal „fucking humanismus“ am rand notiert. die diederichsenstelle über wahrheit ist arbeit würde ich jetzt gerne lesen, aber das buch ist der bibliothek. ein wahlabend zwischen befürwortern der einen oder anderen gesellschaftsform ist heute auch wieder gewesen, dazu habe ich immer talking heads und eels gehört.

Mittwoch, 5. Oktober 2005

jeder text ist wie ein messer / ein gebrauchsgegenstand

es ist immer noch zeit, verworren-überkandidelte manifeste zu schreiben, die gewissheiten verteidigen, die unsere grosseltern (punk, sounds, die jahre `82 bis `84) schon errungen haben.

unsere eigene rezeptions- und produktionserfahrung im zeichenkampf mit halb verdauten brocken älterer französischer theorie im magen hat uns verspätet aber doch gelehrt, einem naiven kulturparadigma entnommene konstrukte wie "das autonome subjekt", "der unverfälschte ausdruck", "das gefühl" und "die authentizität" zu verwerfen.

unsere daraus resultierende heilige pflicht ist es, verstehen zu wollen, warum uns im innersten berührt, was uns im innersten berührt (ein hilfs- und arbeitsausdruck aus dem alten, nicht länger geglaubten weltverständnis zum besseren verständnis unseres eigenen unverständnisses). die analyse tötet "das gefühl" (an das wir nicht glauben, das uns aber beherrscht, s.o.) nicht, sie ist aber notwendig, um zur wahrheit zu gelangen. die wahrheit ist unsere freundin; sie ist furchtbar und schön. die wahrheit ist das erkennen dessen, was der fall ist, hier und jetzt.

darum ist "das gefühl" schwäche, darum ist "das buch kann ich nur in der stimmung x lesen", "der film erinnert mich so an y, darum gucke ich ihn mir so gerne an", "die sagen auf der platte genau das, was ich fühle, aber nicht ausdrücken kann" abzulehnen.

eine welt- und zeichen-versteh-maschine müssen wir dagegen sein, tränen höherer rührung werden unser lohn sein, denn die welt ist größer, schöner und grausamer als das gefühl. unser ziel ist die herrschaft über die zeichenwelt, das verständnis von welt unser krieg, unsere waffen die leidenschaft, die vollständigkeit und das jetzt.

darf man nun sich zu den falschen popsongs küssen(1)? darf man nun erwiesenen schrott gut finden? darf man nun auch einmal fünfe gerade sein lassen und zur falschen musik tanzen? darf man sich nun wieder auf die langweilige, alte ironie-beliebigkeit (so gut, dass es schon wieder so schlecht ist, dass es schon wieder so gut ist, dass es schon wieder schlecht ist etc.) zurückziehen? ja, ja, ja(2) und nein. wir dürfen alles mit den zeichen machen, die wir besitzen, aber wir müssen immer wissen, dass jedes zeichen nur einmal oder keinmal benützbar ist, dass unsere einzigen waffen erstumpfen, wenn wir sie im heiligen und lächerlichen kampf für die wahrheit mit heiligem und lächerlichen hass gegen unsere feinde (die anderen, die wechseln, aber die es gibt) nicht für das gute verwenden, für den ernst, gegen das leben.

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(1) ich kann mich nicht mehr an die musik erinnern, die bei meinem ersten kuss gelaufen ist, nicht an die bei meinem letzten. wir dürfen uns zu den falschen popsongs küssen, wir dürfen überhören, dass der song einen selbstmord erzählt; ihr dürft es nicht. ihr versteht unseren ersatzkampf nicht, weil euch die notwendigkeit dazu fehlt. wir müssen alles alles alles gelesen haben, ihr habt inzwischen spaß. wir möchten nicht in eurer jugend leben, euch zu sehen, wie ihr euch zu den falschen popsongs küsst, gibt uns die kraft, die wahrheit zu suchen.
(2) denn erst die ausnahme gibt dem ernst die würde. ernst ohne ausnahme ist falschheit im wahren.

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arbeitsfragen:
1.) was will ich euch damit sagen?
2.) schafft jemand einen noch pathetischeren manifest-tonfall?

Sonntag, 18. September 2005

sonntag ohne nachdurst

archiv
vor dem kleiderschrank wieder eingefallen: einer meiner ersten texte war eine apologie des pullunders. der text benützte schon damals - ohne es zu wissen und ohne dass ich das damals so nennen hätte können - eine der besten textstrategien überhaupt, die mit "freude an der apodiktik als prinzip" behelfsmäßig ganz gut bezeichnet ist. eigentlich ging es dem text, so weit ich mich erinnern kann, ohne das explizit zu nennen, um eine heute verschwundene, also vernachlässigbare band, die ich damals aus falschen gründen (aus einem naiven rock-dispositiv heraus kritisierte inauthentizität, fehlende indie-credibility und dass sie dazu in der disco auf dem blöden maturaball eindeutig eher mit ihm als mit mir tanzte. letzteres war übrigens auch der grund für meine jahrelange und ebenfalls richtige, damals quasi-prophetische redhotchilipeppers-ablehnung) richtigerweise ablehnte, deren einordnung in die gut/böse-dichotomie damals aber ideologische schwierigkeiten bereitete, weil die irgendwie doch rockten, und eine band, die den mädchen gefällt, immer recht hat. jedenfalls trugen die pullunder und waren das aktuell hassenswerteste, was es überhaupt gab, und daraus kam die idee, in dem text die irrwitzige behauptung aufzustellen, pullundertragen sei ok und schwächen in der argumentation durch überzogene entschiedenheit im tonfall auszugleichen. der beste clou war dabei die schamlose heranziehung eines arguments aus dem mutter-dispositiv(!): pullunder seien praktisch. ich habe dann auch tatsächlich ein halbes schuljahr lang pullunder getragen. der text war ein mail an p., der ich damals häufig kurze traktakte, den weltzustand betreffend, mailte. manchmal bereue ich es doch, damals vor dem festplattencrash keine sicherungskopien gemacht zu haben.

theorie
am sprachsalz wieder einmal mehr die richtigkeit der falschheit bewundert, text seiner schönsten schönheit, der körperlosigkeit, zu berauben. die einen autorinnen haben mir dann so gefallen, die anderen so. herrlich v.a. das festivalphänomen: im anderen saal ist es immer besser (die kleine bühne ist immer besser). column mccann hat bei seiner zweiten lesung, zu der ich zur mitte erst von christoph w. bauers wie immer identischen aufstummen-lesung (nein, er redet, wenn er nicht liest, nicht so, leider) einen sehr guten text vorgelesen, die figuren haben darin viele zigaretten schnell geraucht. heute beim nobelpreisträger bin ich daheim geblieben und habe ein buch gelesen.

welt
davor, danach und immer und zum frühstück goetz' hirn gelesen, herrliche zeit, '83, '84, '85.

praxis
am weg zu g. dann gedacht: zu zweit allein sein sollte man können, dann gespräche über blabla, dann in die pmk, wo ein plakat mit der aufschrift "antikapitalismus irgendwas" hängt und die s alle dollarzeichen sind. am damen-wc sind neue und wie immer witzigere sprüche. die vier kunststudentinnen aus vier nationen der vorband "nista nije nista" sind genau den einen tick zu arty in ihrer kaputtdekonstruktion von allem, was popsongs sind, dass es wieder ins konzept-muckertum ("bei uns gibt es keine frontfrau" verrecke) umschlägt, aber zumindest zum nachdenken ist der krach herrlich und so gnadenlos sympathisch sind sie auch noch, dass man direkt mitspielen möchte auf den singernähmaschinen, mausefallen mit äpfeln und dem ganzen rest. zu ann shenton (alles richtig: schnell, laut, oldschool-moogs) denke ich unfug über momente der wahrheit und dass man das bloggen können müßte. danach ist blöde auflege und ich rufe t. an und die ist noch nebenan unterwegs mit l. und b. und findet später auch, dass alles in dem herbst blöd wird, und das ist es wohl auch, was ich an ihr so mag, affirmation. die bourdieuausstellung heute erwartungsgemäß enttäuschend, nur die leute, die sich das angeguckt haben, waren gut, v.a. die, die sich stundenlang ernsthaft des interview mit ihm angeguckt hat, während ich ihre spiegelung im fernseher angeguckt habe.

auchwelt
die große frage ist jetzt, kommt die große oder doch die ampel. die große frage ist jetzt, warum ist wahlfernsehen so gutes fernseh-fernsehen.

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