am samstag nach dem konzert hat a. uns gefragt, ob wir auch die ganze zeit über ganz andere dinge nachgedacht haben während dem konzert, und g. und ich habe beide ja gesagt. a. hat darüber nachgedacht, was sie in ihrem testament schreiben würde, aber auch andere dinge, ich habe mir überlegt, wie schön und logisch die popmusikgeschichte doch verlaufen ist, und wie gut es ist, gerade jetzt in der geilsten popmusikzeit aller zeiten zu leben und an was g. gedacht hat, hat sie nicht gesagt aber ich kann's mir denken.
ich finde - wie auch das
ideologie-ministerium - nicht, dass es schlecht ist, wenn man während einem konzert großartig nachdenken kann. bei der vorgruppe
fendt (link ist zu hinweisseite auf andere station der selben tour, runterscrollen und kurze band-bio lesen oder selber was besseres über sie googeln) aus darmstadt (hat a. verstanden) bzw. traunstein (habe ich verstande) war speziell der sänger sehr schön und da speziell der blick, mit dem er einen getötet hat, dessen handy bei einer leisen stelle losgegangen ist. für eine vorgruppe, deren aufgabe es eigentlich nur sein sollte, durch die eigene schlechtigkeit den kontrast zur hauptgruppe hervorzukehren, sind fendt eigentlich zu gut, der sänger hat große popstarqualität und die lieder sind so einfach sie sind, auch klasse, aber ich war leider zu geizig ihre cd zu kaufen, kann es also nicht beweisen, aber wenn der schlagzeuger besen verwendet, hat die band sowieso schon gewonnen.
savoy grand, die masters of pop melancholia, mischen melancholie ganz gern mit traurigkeit und trauer mit schmerz (um auch einmal die gute, alte kochrezept-metapher zu verwenden). live haben sich sich auf das gute, alte leise-laut-leise verlassen, das funktioniert immer. und textzeilen, die im fall von savoy grand sowieso traurig, also wahr sind, werden natürlich immer noch wahrer, wenn sie zehnmal wiederholt werden und dann im zehnminütigen gitarrengeschrubel und bassgedrönse im kopf wiederhallen. und dann nimmt man noch einen schluck bier und hat noch zehn weitere soundgewitterminuten, um über die dinge nachzudenken, die halt gerade wichtig sind. kein song unter zwanzig minuten, und ein bassist wie ein mormone, der oft zehn minuten reglos auf der bühne rumsitzt, wenn er nicht gebraucht wird. (beim abbauen hat er auf der bühne ein buch gelesen, habe aber nicht gesehen welches, der sänger ist inzwischen backstage bei einem gläschen rotwein gesessen und hat traurig ins leere gestarrt. the band doesn't sound half bad, hätte ich ihm sagen sollen, nicht if the audience are quiet they like you, otherwise they'd have talked very loud.)
am sonntag spielten dann die schwarzkünstler und offiziellen bohemia-staatsatanisten phail, lowtzow, zank und müller (von links nach rechts) das bisher beste konzert, das ich von ihnen miterleben durfte, was insofern, als dass sie eine miserable liveband sind, nicht weiter schwer war. es waren mehr alte leute da, als ich gedacht hatte, und kaum junge leute. die alten lieder haben komischerweise auch nicht gestört, es war ein harmonisches ganzes, also wurde den göttern des nichtwissenwodagegenseins ein götzendienst gefeiert, der eine art hatte.
bier, schweiß und tränen flossen in strömen, eine wand aus bierdosen und blut empfing die vier wiedergänger, gegen das inferno im publikum erblassten boschens und dantes höllenschilderungen, ein glänzendes fest des rausches und exzesses gipfelte in rituellen menschenopfern und dem verzehr der noch warmen, dampfenden gedärme. im laufe des abends verwischte die grenze zwischen traumhafter ekstase, mysthischer wahrheit und dem, worauf man sich behelfsweise sonst als wirklichkeit einigt, weil es die sachzwänge erfordern, denen
tocotronic gerade jetzt, wo allerorten vernunft eingefordert wird, die faustwatsche des wahrhaft erhabenen, großen und schönen, die heilige wut des kaputten, versponnenen und widersinnigen entgegenhalten. es ist einfach prog-rock-musik.