Dienstag, 30. Mai 2006

Diesmal: Aale

Jedermann weiss, wann und warum der dreissigjaehrige Krieg war, wer Baron Instetten war und wie Glenn Gould in die Tasten greift. Geht man raus, kann keiner sagen, ob diese Pflanze mit den weissen Quasteln zu den Dikotyledonen gehoert und wie sie heisst. So beschweren sich Biologen, dass ihr Fach einfach nicht in die Allgemeinbildung einging. Aber erst recht sind die Mathematiker sauer, denn in Mattes versagt zu haben, gehoert beinah zum guten Ton. Mit der Rechtwinkligdenkerei nie was am Hut gehabt zu haben edelt bei jedem Party-Smalltalk, waehrend keiner damit angeben wuerde, bei der Fuehrerscheinpruefung durchgefallen zu sein oder ein von Geschlechtskrankheiten uebersaetes Gemaecht zu tragen. Dabei ist Mathematik schon ein bisschen Koenigsdisziplin, letztlich aber Hirnwixe, wenn nicht sie nicht ihre praktische Anwendung erfuehre: in der Physik. Die taete beinah auch ein wenig zur Hirnwixe neigen, erfuehre sie nicht ihre Anwendung in der Astronomie. Die steht da noch drueber. Aber eigentlich ist die Physik schon safe. Weil zum Beispiel Quantenphysiker, ohne mit der Wimper zu zucken, Obszoenitaeten wie "die Beugung der Raumzeit" von sich geben koennen. Einer aus dieser Gilde, Hugh Everett, hat nicht nur mit Einstein korrespondiert, sondern auch etliche Science fiction Serien inspiriert. Everett's Sohn Mark war weniger geschickt auf dem Gebiet der Physik, er begeisterte sich fuer Musik und gruendete, nein er ist die eels (das jedenfalls sagt die eels-hagiographie). Man darf also nicht ohne Grund fragen: steht die Musik ueber der Astronomie? (Irgendwo biegt die Astronomie ja auch ab in die Kosmologie, welche in die Philosophie uebergeht, womit sich die Katze in den Schwanz beissen kann... ). Juengst wurden die Beatles gelobt, wahrscheinlich, weil sie mit Sergeant Pepper das Genre "Konzeptalbum" erfanden. Gibt's ein besseres als eels' "beautiful freak"?

Am 4.7. spielen die eels in Wien, und was mich von Euch unterscheidet: ich habe eine Karte. Und das wird sich auch nicht aendern, denn: ausverkauft. Freilich. Ja was soll ich denn jetzt tun, mir die Haare raufen, in schlechtem Gewissen zerfliessen? Nein, ihr spuelt ja auch nicht eure creme brulee in den abort, nur weil in Aethiopien gehungert wird. Bin xpannt, was Mark Everett serviert, dass aale die heftigsten reaktionen ausloesen, beschreibt ja schon Grass in der Blechtrommel.

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taratorka - 31. Mai, 08:55

zum kotzen gut

musik und mathematik sollen im gehirn ja sehr viel miteinander zu tun haben. jedenfalls sollen menschen, die gut in mathematik sind, auch für musik begabt sein und umgekehrt, keine ahnung, ob sich das tatsächlich so verhält.
nach der aal-stelle in der blechtrommel war mir zum kotzen zu mute, was irgendwie auch wieder eine große leistung eines autors ist, dem leser übelkeit zu verursachen - rein vom text her, nicht weil das buch sch.. ist. kleine umfrage: bei welchen stellen in welchen büchern wird einem sonst noch speiübel?

assotsiationsklimbim - 31. Mai, 14:40

mir wird nie schlecht von büchern.
assotsiationsklimbim - 31. Mai, 14:39

mit eels gehen wir mal d'accord, allerdings, so viel gemeinheit muss sein, sind sie keine besondere liveband (daisies of the galaxyphase mal ausgenommen). über die wissenschafthierarchie kann man streiten, muss aber nicht, richtiggestellt muss aber werden, dass beautiful freak kein konzeptalbum ist und die beatles nicht wegen sgt. pepper, sondern wegen der frühen sachen gelobt gehören. ansonsten noch eine bitte zur güte: macht doch mal absätze, es lesen hier auch alte menschen mit, deren augen das brauchen. und wenn man schon nicht von der großschreibung lassen kann, bitte konsequent, nicht dass das hier wie ein tippfehlerblog ausschaut.

creekpeople - 31. Mai, 17:08

Wie lässt man den konsequent nicht von der Großschreibung?
Ist die konsequente Kleinschreibung nicht eine ständiger Tippfehler? (Siehe auch: Warum ich Röggla nicht mag, ohne sie je gelesen zu haben)

Kleinschreibung ist für mich, es soll hier auch ein Mal gesagt sein, ein Symptom einer allumfassenden Faulheitstendenz, von der die deutsche Sprache in den letzten Jahren heimgesucht wird. Da für mich auch Blogs zu dieser (man verzeihe mir den Ausdruck:) Verrohung der Sitten beitragen, da durch ihr quantitatives Überborden jegliche Ordnung abhanden kommt, sei hiermit von höchster Stelle dazu aufgerufen, die Eigenheiten deutscher Rechtschreibung nicht als Hürde und Last, sondern als liebenswürdige Eigenständigkeit zu betrachten, die zu bewahren die Liebe zur eigenen Sprache auferlegt.
Eine Simplifizierung der Sprache vermittelt den Eindruck, dass jeder sie einfach beherrschen könnte, was zur Folge hat, dass ein Studium (Achtung, Reizwort) und eine Wahrung der Sprache für gänzlich überflüssig gehalten werden. Und wohin das hinführt, haben wir ja in der österreichischen Bildungspolitik miterleben dürfen. Ich persönlich wäre darum glücklich, wenn wir uns hier in dieser kleinen Enklave der Blogosphäre (ja, auch Anglizismen müssen nicht willenlos adaptiert werden) darauf einigen könnten, dem schönen Schriftdeutsch zu huldigen. (Das schließt nämlich zum Beispiel auch die logische Gliederung des eigenen Texts in Absätze ein, welche die Themenentfaltung strukturieren.)

Und das alles, obwohl ich weiß, dass mich jetzt einige einen reaktionären Querkopf nennen werden.
driftwood - 31. Mai, 19:21

...nicht als Hürde und Last, sondern als liebenswürdige Eigenständigkeit zu betrachten, die zu bewahren die Liebe zur eigenen Sprache auferlegt.
Schön gesagt. Volle Zustimmung.
assotsiationsklimbim - 1. Jun, 10:22

indeed blitzte deine abschließende selbstbeschreibung bei diesen zeilen in mir mal auf, aber wollewirma nich persönlich werden.

meine kleinschreibung ist erstmal rein ästhetisches anliegen (vgl. serifenlose typen-obesssion), zweitens bewußtes zitat diverser avantgarden (grimm, div. klassische avantgarden, röggla etc., kleinschreibung als abgrenzung zu bürgerlicher, langweiliger kunstkunst geht zum guten glück eben immer noch) und drittens der genaue gegensatz zu elitären ansätzen, wonach sprachbenützung via ausschluss funktionieren sollte. ohne jetzt sozialdemokratischen argumentationsballast auffahren zu wollen, finde ich es doch eher begrüßenswert, wenn möglichst viele sprachteilnehmer möglichst einfach die sprache benützen können. dass manche differenzierungen in kleinschreibung nicht mehr möglich sind, muss ich eh selber immer wieder bedauerend feststellen, aber es gibt ja auch eine bereicherung des ausdrucks durch beschränkung.

"wahrung der sprache" und ähnliches ist für mich zu sehr normativ, wo unsere heilige aufgabe nur holy deskription sein kann, aber die diskussion hatten wir ohnehin schon öfters. can't help it, i'm just a 68's children's child. fuck macht 4-ever, sozusagen.
creekpeople - 1. Jun, 10:59

Ästhetik ist hier ja schon einmal eindeutig durch "Optik" zu ersetzen, denn sie dient ja offensichtlich wirklich nur dem visuellen Wohlgefallen. Optik also, sei von mir aus schön und gut, die Ästhetik verkommt aber völlig, sobald die Kleinschreibung nicht als Gestaltungsprinzip verwendet wird, d.h. keinen semantischen Mehrwert zum Text hinzufügt. Dann wird sie nämlich zu einem vollkommen sinnentleerten, vorpubertären Protest um des Protestes willen, einer Widerrede, die keine Alternativen vorschlägt. Wenn die Kleinschreibung offensichtlich einen Verlust bedeutet, was kann dann noch für sie sprechen? Zugänglicher macht sie die Sprache nämlich auch nicht, sie gehört definitiv nicht zu den wahren Fehlerquellen, deren Eliminierung also die Sprache "für möglichst viele Sprachteilnehmer" leichter zugänglich machen würde. Was mich gleichzeitig dazu bringt, klarzustellen, dass es mir nicht um eine Elitisierung der Sprache geht, sondern vielmehr darum, einer möglichst groszen Population zu verdeutlichen, dass ihre Sprache wichtig ist und geliebt werden muss. Das hat nichts mit Protektionismus zu tun, sondern mit einer Einbindung der Masse in ein Gebiet, das zuvor vorgeblich nur den "Gescheiten" zugänglich war. Letztere betreiben nâmlich die wahre elitäre Abgrenzung, wie ich sie übrigens auch bei Röggla feststelle. Die Avantgarden haben nämlich meiner Meinung nach immer mehr Menschen vergrault und vor die Türen der Literatur gesperrt, als Leser für die Sache gewonnen. (Siehe Nouveau Roman, der in Frankreich so gut wie gar nicht gelesen wird. Siehe Avantgardetheater der 50er usw.) Und was lesen die Leute jetzt? Dan Brown.
assotsiationsklimbim - 1. Jun, 14:38

auch optik kann man unter ästhetischen aspekten beurteilen, außerdem ist kleinschreibung eben auf der visuellen ebene (auf der ebene von signifikant, form, oberfläche, wenn du willst) sehr wohl gestaltungsprinzip, da es das signifikat sowieso nicht gibt also die einzige möglichkeit, semantischen mehrwert zu erzeugen.

von diesen sophismen mal abgesehen war das nur ein punkt, den ich angeführt habe, der von dir geforderte semantische mehrwert besteht also (vgl. auch mein posting oben), das wars auch, was ich gemeint habe mit bereicherung des ausdrucks durch freiwillige beschränkung (es soll ja auch vom resort geschätzte autorinnen geben, die sich darauf beschränkten, das e nicht zu verwenden). kleinschreibung ist ja die markierte form: eben weil (bewußte verwendung der) kleinschreinung nicht norm ist (dass ich das bewusst und nicht aus faulheit mache, darf man mir unhinterfragt unterstellen), bedeutet sie mehr als großschreibung. das alles könnte nur beispielsweise für die kleinschreibung sprechen.

zu den wahren fehlerquellen gehört die großschreibung zumindest bei mir im übrigen schon ("im übrigen" weiß ich nie, ob groß oder klein), das nur nebenbei. ich bin ja auch gar nicht für allgemeine abschaffung der großschreibung oder irgendwas (gibt ja auch lesegeschwindigkeitstests und alles, die für großschreibung sprechen), nur lass ichs mir nicht nehmen, dass es in bestimmten kontexten (für mich) einfach sinn macht.

mit dem rest gehe ich eh irgendwie d'accord (sprache wichtig nehmen etc., das schmeckt schon gleich viel weniger nach cato als das posting davor), auch wenn ich da nicht alltägliche sprachverwendung und literatur im engeren sinn mischen würde, das macht das problem noch mal komplizierter (es soll ja auch zwei, drei recht populäre literatravantgarden gegeben haben während man zugleich zwei, drei recht unpopuläre literaturavantgarden auch nicht missen würde wollen). zudem ist die dialektik von breitenwirkung bzw. schnöseligkeit ein zu weites feld, bei dem es mich fast stündlich auf eine andere seite schlägt. mein herz schlägt eben für alle popsäue und für alle scheuen, elitären rehe und dandies zugleich. der feind ist nur dan brown.
creekpeople - 1. Jun, 19:14

Also auf einen grünen Zweig kommen wir ja eh nicht, darum: Simma wieda gut...
assotsiationsklimbim - 1. Jun, 19:25

aber ich hab letztes wort.
driftwood - 31. Mai, 19:18

Geh, wieso sind die bitte jetzt schon ausverkauft?!

(Und von wegen schlechte Liveband, dem will ich mal ausdrücklich widersprechen.)

assotsiationsklimbim - 1. Jun, 10:05

schlechte liveband war ja nur ein zu-hohe-trauben-argument.
gnomas - 1. Jun, 02:35

ich lese auch nicht roeggla. sie hat mich, einen willigen literaturgroupie, einfach von der schwelle geschoben und mit ein, zwei weissen spritzern in der hotellounge abgewimmelt. Naja, spricht jetzt eigentlich nur fuer sie. Und ist auch kein grund, sie nicht zu lesen. Denn liebhaben und lesen haengt nicht direkt zusammen. Siehe: Jetzt gibt es sicher verwegene unter euch, die jelinek lesen, aber koerperliches waere wohl jedem zu gewagt. Oder nicht? Ihr draufgaenger, ihr wilden hunde, ihr hazardeure, ihr wagemutigen... ihr seid jenseits.

assotsiationsklimbim - 1. Jun, 10:06

lest röggla, die ist klasse

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