Mittwoch, 1. November 2006

Man Made Monster

Die fabulösen Chicks On Speed geben einen Female-Artists-Only-Sampler raus: das featuren wir von der Abteilung Genderkram-gut-finden des Resorts gleich zweimal (-> exklusive Online-Vorabveröffentlichung einer Rezension der Keimzelle Popkultur in der UP).




Some people think little girls...


Unser aller liebsten gender-aware Electroclashheroines Chicks On Speed haben ein Sampler veröffentlicht, der unter dem Titel Girl Monster Songs von Artists versammelt, die das Doppel-X-Chromosom im Verbund mit Flockigkeiten wie Diskurs oder Gesellschaft zu eben diesen gemacht hat. Dass das schon mal a priori wahr, schön und gut ist (der Sampler, nicht das mit dem Genderkram), wurde in den Produktbeschreibungen in den dank Rezensionsexemplaren den Produktzyklen perfekt angepassten Mainstreammedien zur Verteilung kulturindustrieller Güter, wie etwa dem Malmoe oder der Spex, zum guten Glück schon so deutlich genug festgestellt, dass wir hier den Tonträgern eine vertiefende Behandlung angedeihen lassen können, die sich nicht länger mit Schnickschnack wie der Begründung der Notwendigkeit eines solches Projekts aufhalten muss. Danke, Vertriebswege!

...should be seen and not heard...

Wie schaut unser Kind also aus? Erhältlich ist Girl Monster zwar nur als Dreifach-CD, aber andererseits sind 3 ½ Stunden Musik auf anständigen Tonträgern auch nicht gerade das, was PostbotInnen Freude macht, wenn sie die Onlinekaufhausbestellung in die Bastionen feinsinnigen Popgeschmacks der Provinzen unseres Global Village tragen müssen. Den Silberlingen leisten zu zwei Packpapierbögen names Zine aufgeblasene Linernotes in ihrer Kunststoffhülle Gesellschaft, die man sich allerdings lieber im Netz durchlesen sollte, da man sie sonst nie mehr wieder so zusammenzufalten schafft, dass sie in die Hülle passen. Nur kommt man online nicht in den Genuss, sich an dem im klassischen COS-Style gehaltenen Artwork zu ergötzen, irgendwas fehlt also immer. Dem handelsüblichen Myspacekid werden so Gebräuche wie rituelles Durchhören lang ersehnter und endlich via Postweg eingelangter neuer Tonträger nebst akribischem Studium des Booklets (find the Innsbruck-Connection!) vielleicht nichts mehr sagen, wir alten Hornbrillenträger halten ebendies aber immer noch für ein Argument für die Notwendigkeit von zum Beispiel auch Kompilationen wie der Vorliegenden. Wo alles im Überfluss vorhanden ist, weil ohnedies jedeR alles immer runterladen kann, gibt ein Ganzes eben wieder einmal mehr her als die Summe und so weiter.

...but i think...


Wir wischten im ersten Absatz die langweilige Diskussion bereits vom Tisch, ob eine Pop-HerStory zu schreiben jetzt unerquicklicher Differenzfeminismus sei oder nicht. Mal davon abgesehen, dass ein solcher Vorwurf an das Girl-Monster-Team ebenso ignorant (angesichts deren bekannt theoretisch-reflektierten Schaffens) wie überheblich (angesichts der Pionierarbeit, die ein Unterfangen wie GIRL MONSTER immer noch ist) wäre und die theoretische Unterfütterung für die ganz Begriffsstutzigen ohnedies durch einen Artikel von Barbara Creed im erwähnten Zine geleistet wird, kann man die Debatte mit einem flotten Differenzfeminismus my ass! auch gleich ganz vergessen, wenn man sich die Scheibchen mal anhört. Wer an so viel monströser Abseitigkeit, stolz gelebtem Freaktum und wahnwitziger Energie keinen Gefallen findet, soll eben Sportfreunde Stiller hören. Alle Menschen, die ein Herz im Leibe tragen, werden aber begeistert durch WG-Küchen, Indiediscos oder Seminarräume tanzen, wenn etwa CLIENT ihre Electroclashdeutung auf SCREAM CLUB VS. BEN ADORABLEs (feat. die gute, alte Merrill Nisker) Spielart des Genres prallen lassen, Gitarrenkrach von alten Bekannten wie ERASE ERRATA neben gewohnt völlig Uneinordenbarem von KEVIN BLECHDOM steht, die CHICKS ON SPEED höchstselbst plastische Chirurgie urgieren oder GIRL MONSTERs der guten alten Zeit wie THE SLITS, THE RAINCOATS oder GUDRUN GUT die Lautsprecher wackeln lassen. Besonders angenehm beim Durchhören ist dabei, dass die Artists nach einem Prinzip gereiht sind, das zumindest uns für immer verschlossen bleiben wird. Dadurch läuft das Projekt nicht der Gefahr, die bei einer chronologischen (oder sonstwie nachvollziehbaren) Reihung gegeben gewesen wäre: eine einfache, bereinigte, große Geschichte weiblichen Musikschaffens erzählen zu wollen, wo in Wahrheit eben genauso komplexe Zusammenhänge, Beeinflussungen quer durch Raum und Zeit sowie ganz eigenständige Außenseiterinnen bestehen, wie sich durch das zufällige Zusammentreffen auf der Platte herstellen lassen. Ganz so einfach ist es eben nicht, dass aus Punk Riot Grrrl und aus Riot die heutigen Elektrobastlerinnen wurden. Das und auch nichts anderes behaupten zu wollen, kann die Zufallsreihenfolge glaubhaft versichern.

...Oh Bondage! Up Yours!

Dass jede Auswahl notwendig mangelhaft ist, ist ohnehin klar. Wer GIRL MONSTER aber als patriarchales Ausschlussverfahren liest, verfehlt die Offenheit des Projekts. Irgendwo muss man halt anfangen und warum nicht mit 60 zu zwei Drittel bisher unveröffentlichten Tracks. Es ist ja eben bei diesem Sampler nicht so wie bei vielen seiner Kollegen, dass eine auch nur mittelmäßig interessierte RezipientIn ohnedies 90% des Audiomaterials im heimischen Plattenregal stehen hat oder dass er SZ-Mediathek-mäßig suggerierte, dass, wer sich das kauft, schon alles hat, was sie/er braucht. Dass dabei ab und an auch Silber ins Gold gerutscht, ein leichter Überhang von Acts aus Deutschland zu bemerken und essentielle Bands wie zum Beispiel BRITTA fehlen, mögen andere Erbsenzähler bekritteln. Vielleicht werden die von der Ausgabe Nummer zwei zufrieden gestellt, auf die das große i hinter GIRL MONSTER uns hoffen lässt.

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