Samstag, 12. März 2005

Provinz ist fast überall pt.2

Nachdem assotsiationsklimbim mich ja gestern dazu verdonnert hat, hier also der Nachbericht zum zweiten Tag der Tage der jungen deutschprachigen Literatur, wieder schön chronologisch geordnet, damit sich jeder auch „zeitlich, örtlich und so verorten“ kann (Zitat des charmanten Moderators Markus Köhle, der sich gleich beliebt machte und mir sein neues Buch schenkte).

Den Anfang machte Arno Geiger, dessen Buch „Schöne Freunde“ ich seit Ewigkeiten im Regal stehen habe, ohne je über die ersten 30 Seiten hinausgekommen zu sein. Geiger las aus einem unveröffentlichten Text, einer Familiensaga, die sich vom österreichischen Staatsvertrag irgendwie in Richtung Jetzt ranken dürfte. Er las artig hinters Mikro geklemmt und räumte meiner Meinung nach gleich zu Beginn die besten Haltungsnoten ab – Ein Kopf, der sich nie bewegte, aber ein Körper der irgendwie ständig drumrum schlenkerte. Wie uns der Moderator verriet, war Geiger nun schon zwei Mal beim klagenfurter Bachmannpreis. „Im Nachhinein hätte ich’s mir sparen können“, meint Geiger darauf und gibt so ohne es zu wissen auch gleich das Motto für den ganzen Abend vor. Denn was folgte, war das, was sich alle Welt unter einer Dichterlesung vorstellt: Prosa, die unaufgeregt vorgetragen wurde, ohne auch nur einmal darauf zu achten, dass ein Publikum auch gerne mal unterhalten werden will.

Auch Autor #2 schiss sich, mit Verlaub, einen Dreck um diesen Sachverhalt. Und das, obwohl Johannes Weinberger Teil der A-Capella-Combo Bauchklang ist und eigentlich wissen sollte, wie eine Crowd standesgemäß zu rocken wäre. Aber bei den Bauchklang-Konzerten hatte ja ebenfalls niemand je eine Ahnung, was dieser Anzugträger eigentlich auf der Bühne zu suchen hatte (oder kam das nur mir so vor?). Spoken Word – aha, also jemand, der ohne Probleme durch einen handelsüblichen Sampler ersetzbar wäre. Angeblich, so referiert der Moderator, habe ein Kritiker geschrieben, dass „Kafka, wenn er in den 70ern geboren wäre, jetzt eine WG mit Weingartner bewohnen würde“. Glaub ich ja nicht, denn „kafkaesk“ heist zwar verwirrend, aber nicht nichtsagend. Kostprobe: „Jeder darf seinen Schmutz in mich laden, weil mein Haar golden leuchtet wie Gold, weil meine Haut weiß ist wie Schwanengefieder und weil meine Augen leuchten wie Chrom.“ Stimmt, das erklärt alles. Trotzdem war Weinberger dann in der Pause am Büchertisch der Bestverkaufte – Käufer waren allerdings Menschen, die gleichzeitig auch noch schnell „Wundränder“ von Sepp Mall erstanden, welches man am Vortag in der Innenstadt geschenkt bekommen hatte.

Nach der Pause schubste man dann Linda Stift auf die Bühne, eine Autorin, die aussah wie 24 (höchstens), eigentlich aber 36 Lenze zählte (unpackbar). Auch wenn man sich sofort selbst ermahnte, nicht auf derartige Äußerlichkeiten zu achten, war die Aufmerksamkeit auch hier nur mit Gewalt am Text zu halten. Das konnte man sich anschaulich an einem der Zuschauer vergegenwärtigen, der einschlief, ohne dass es ihm jemand übel genommen hätte. Denn auch Stift hatte kein Mitleid mit den Zuhörern: Ein Ausschnitt aus ihrem Erstlingswerk „King Peng“, der vielleicht ganz interessant geschrieben ist (Alles was kein Aktiv ist, kommt mir nicht in meine Hauptsatzreihe!), aber merklich an der sogenannten „Leseproben-Krankheit“ litt. Denn um was geht es jetzt in dem Buch wirklich? Geschwisterliebe? Einen Partyservice? Sugokonzentrat in Tuben? Weiß der Teufel. Man hätte sich gewünscht, es erklärt zu bekommen.

Und dann noch der zuvor erwähnte Sepp Mall, den man wahrscheinlich eingeladen hatte, um Subventionen aus dem „Innsbruck liest“-Topf zu lukrieren. Auch Mall beglückte uns mit einem unveröffentlichten Text, der zumindest so etwas wie eine Schlusspointe aufwies und das Publikum immerhin mit dem bei der Stange hielt, was sich Faz-Rezensenten unter „prickelnder Erotik“ vorstellen. Nach dem artigen Applaus musste sich sogar der Moderator ermattet niedersetzen um seine Schlussansage zu tätigen. Was blieb, war die Hoffnung, dass heute, am dritten Tag, alles besser würde. Und das wird es auch - hoffentlich.

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assotsiationsklimbim - 12. Mär, 15:52

kafka muss man sich mal in einer wg vorzustellen, großartig. dann hätte er den brief an den mitbewohner geschrieben. (und immer ist er tagelang in seinem zimmer verschwunden, dann weckt er einen um 6 uhr früh und muss unbedingt eine erzählung vorlesen, immer ißt er die privatsachen der anderen mitbewohner auf, flaschen tragt er nie runter, die felice ist auch so eine komische, und die platten stellt er nie zurück ins regal, wo sie hingehören, gestern hat er sogar seine scheiß mahler-platte in meine sonic-youth-hülle gesteckt, und wenn man ohne anzuklopfen in sein zimmer kommt, redet er drei tage nicht mehr mit einem. "du franz, wozu haben wir eigentlich einen putzplan wenn dann doch immer nur ich deine sachen abwasche")

außerdem habe ich mich gestern mehrmals ermahnt, mehr auf äußerlichkeiten zu achten, was aber eben ein fehler war. aber auch heute: äußerlichkeiten über alles. wehe dem franzobel, wenn er kein fesches sacko anhat, dann schenke ich ihm kein gehör.

außerdem ist mir gestern noch eingefallen, an wen mich roberts moderationsstil erinnert: thomas gottschalk. (du, ich habe ja schon mit vielen stars, mit den ganz großen, in deutschland, und aus den staaten auch, aber wir können schon du sagen, ja, du warst ja schon dreizehn oder wars schon vierzehnmal bei mir, und) das soll jetzt aber nicht als kritik missverstanden werden, ich mag gottschalk bekanntermaßen ja sehr.

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