Vladimir Kaminer ist ja mittlerweile kein Unbekannter mehr. Umso schwerer wiegt die Tatsache, dass man noch nichts von ihm gelesen hatte. Also pilgerte man fleißig in die Bibliothek seines Vertrauens und sah nach, womit man sich denn dort netterweise vom Studium ernsterer Schriften abhalten könnte. Die Wahl fiel auf
Russendisko. Gut. Licht aus, Strobo an, Vodkaglass füllen, bitte, danke.
"Russendisko" funktioniert als Buch im Grunde gleich wie das was man sich unter der realen Veranstaltung vorstellt: Frauen, Vodka, Gelächter und Tracks, die miteinander nicht viel zu tun haben, aber einzeln großen Spaß machen. Kaminer referiert aus dem Leben eines Russlanddeutschen, von den eigenwilligen Blüten, die der Clash zwischen Wurzeln und neuer deutscher Heimat bisweilen treibt. Vor allem offenbart sich Kaminer dabei als Meister der Punchline, als humoriger Kommentator alltäglicher Situationen, denen er durch ironische Brechung eine gewisse Tiefe verleiht. In aller Kürze reiht sich so Text an Text, Figuren tauchen auf und verschwinden wieder, die Geschichten erlangen nur durch die konstante Präsenz des Erzählers einen Zusammenhang. Und nach 190 Seiten geht es einem, wie nach dem Besuch einer Disko: Zwei bis drei Lieder hat man sich gemerkt, den Rest vergessen, klar ist nur, dass man sich gut unterhalten hat.
Vladimir Kaminer: Russendisko; Goldmann, 2000
Leseprobe:
Russen in Berlin