Wenn ich dich zwei Fragen fragen würde
wär das
woher kommst du?
wohin gehst du?
klee - Fr. 2300
Spätestens nach der fünften Stunde fragt man sich, welcher Teufel einen geritten hat. Und es ist nicht nur die fünfte Stunde, sondern vor allem der Gedanke an die nächsten vier Stunden, die einen zweifeln lassen. Zweifeln, ob es wirklich die beste Idee waren, sich in einen alten Blechhaufen zu setzen, um in den alten Osten zu fahren, dorthin, wo man die Berliner Luft schon riechen kann und wo die Städte einem nur als Ausfahrten auf der Autobahn erscheinen. Der Sinn solcher Exkursionen ist also nicht nur Außenstehenden oft schwer klar zu machen.
An sich weiß man ja darüber hinaus was man bekommen wird. Stundenlange Kämpfe um einen guten Platz, Zwangsbeschallung am Campingplatz, wenig bis keine Ernährung, Ersatzernährung über Bier und Kaffee. Und wenn sich dazwischen kurze Momente der Klarheit einfinden, dringen auch kurze Musikfetzen ins Unterbewusstsein. Was zurückbleibt, ist dieses müde Gefühl der völligen Erschöpfung, gemischt mit dem Gefühl wieder einmal von allen anderen Festivalbesuchern um das betrogen worden zu sein, das man eigentlich suchte: Die Band die einem am Herzen liegt, den Platz in der ersten Reihe und überhaupt: Die Ewigkeit in einem Tag, bitte.
Das
Melt! hat sich jetzt zwar nicht in die Reihe der absolut stereotypen Festivals eingeordnet, bot aber doch seine Momente der Ernüchterung. Einerseits dieses unbefriedigte Gefühl, das sich beim Genuss der meisten anwesenden Gitarrenbands einstellte: Austauschbarkeit is a way of making money. Da gab es nur wenige Bands die wirklich aus diesem Sumpf herauslugten, um ordentlich in den Schlamm zu hauen. Robocop Kraus müsste man in diesem Zusammenhang auf jeden Fall nennen, alles andere könnte aber genau so gut unter den Tisch fallen. Bloc Party etwa, die offensichtlich die No Angels der Indie-Pop Branche werden wollen.
Festivals rühren einen vorherrschenden Geschmack zu einer Größe auf, die nicht mehr essbar ist. Es herrscht Reizüberflutung, die alles einebnet. Und so hindern Festivals oft die ganz großen Gefühle daran, sich wirklich auszubreiten. Aber noch einmal zurück. Warum war man den eigentlich hingefahren? Hat das Festival auch Bright Eyes vernichtet? Ja und nein. Vernichtet worden sind Bright Eyes von einem Hype der seinesgleichen sucht. Und als ein betrunkener Conor Oberst zur Ouverture seiner Band die Bühne betritt, denkt man sich schon bald vor allem eines: Da habt ihr den Salat, ihr Musikjournalisten dieser Welt. Da habt ihr ihn hingeschrieben. Und da steht er jetzt. Schrammelt sich, wie Joe Cocker in seiner schlimmsten Phase, wild mit den Armen rotierend durch die Songs von "Digital Ash in a Digital Urn". Man wurde das Gefühl (gut, man hatte es auch damals in Wien bereits), dass einem Bright Eyes gestohlen worden sind. Dass der unglaubliche Grad an Öffentlichkeit diesen Jungen aus Omaha daran hindert, einem sein Herz so entgegenzuschleudern, dass man es auffangen könnte. Der Funke wollte und wollte nicht überspringen. Und hätte Conor Oberst nicht dieses "little secret, that I am also a folk singer", hätte man das Konzert schon fast für verloren erklärt. Dann aber "first day of my life" und "I believe in symmetry". Und da war es doch, dieses Gefühl wegen dem man die Musik dieses Menschen lieben gelernt hat - Das Gefühl ist doch noch da, irgendwo in einem drin. Es schläft aber tief.
Bright Eyes sind so geworden, wie Festivals immer schon waren. Zu groß. Und vielleicht liegt es daran, dass man, spätestens nach Stunde fünf (diesmal auf der Rückfahrt), diesen großen Klos im Magen hatte. Ein Gefühl, als hätte man gerade einen guten Freund verloren, dort oben, im Schatten der Bagger.