„Ich Regen, du blasen.“
Die Menschen sind einfach und berechenbar. Michael Stauffers neues Prosa-Werk „Normal – Vereinigung für normales Glück“ zeigt, wie man davon formschön profitiert.
Marcel Oliver, Ich-Erzähler des neuesten Prosastreichs des Schweizer Dichters Michael Stauffer, ist arbeitslos. Wer arbeitslos ist, hat viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie es weitergehen soll. Und ebenso viel Zeit, um die wahren Wünsche der Menschen zu analysieren. Marcel stellt fest, dass ein privater Anlagefond 18 Prozent seines Kapitals in Beteiligungen an religiösen Gemeinschaften investiert und schließt daraus: Die Menschen wollen spirituellen Halt und sie sind bereit, für dieses kleine bisschen Glück Geld zu bezahlen. Marcel Olivers Lehre zum „normalen“ Glück führt schließlich über das Wasser: „Ich stehe in der Natur, langsam setzt der Regen ein und dann leert sich meine Blase. Das ist der Hauptgedanke [...], diese Idee, dass die Natur mir vorausgeht und ich einfach der Natur hinterhergehen kann und dann wird alles gut, das ist es.“ Marcel gründet also eine Sekte, eine Anleitung zum Wohlfühlen, eine „Vereinigung für Normales Glück“. Er führt seine Jünger in den Regen, um sich kollektiv in die Hosen zu machen.
Michael Stauffer hat einen Blick für Banalitäten des Alltags. Dies bewies er bereits in seinen ersten beiden Prosawerken mit den episch langen Titeln „I promise when the sun comes up, I promise I’ll be true. So singt Tom Waits. Ich will auch Sänger werden.“ (2001) sowie „Haus gebaut, Kind gezeugt, Baum gepflanzt. So lebt ein Arschloch. Du bist ein Arschloch.“ (2003). Beide Werke stellten Ich-Erzähler in den Mittelpunkt, die versuchten, mit abstrusen Einfällen, Kalauern, aberwitzigen Logikexperimenten und skurrilen Projekten den Alltag zu füllen. Auch Marcel Oliver, der selbsternannte Sektenführer, macht hier keine Ausnahme: Er erprobt seine angeblichen telepathischen Fähigkeiten im Park, erfindet ein Baukastensystem für Kontaktanzeigen und schützt sein Fahrrad durch Androhung von Bußgeldforderungen. Kurz: Der Alltag ist schwer, doch man kann lernen, ihn zu meistern.
Vor allem kann man lernen, wie er zu beschreiben ist. Stauffers Erzähler wissen nämlich, dass die Realität erst erträglich wird, wenn man sie festschreibt. In knapper, einfacher Sprache fixiert Marcel Oliver seine Welt. Er beschreibt schnörkellos, fast naiv. Und genau in dieser Einfachheit liegt die Kraft dieser Prosa. Stauffer schafft es durch kurze, schmucklose Aussagesätze, die weder auf Stileffekte abzielen, noch poetischen Pomp fordern, die Realität seines Erzählers wiederzugeben. Die Banalität des Alltags findet so in ihre logische Form. Dieser Stil mag zwar gewöhnungsbedürftig sein, schafft jedoch schließlich vor allem zwei zentrale Effekte: Erstens werden Stauffers Figuren durch ihren vollkommen unkomplizierten Blick auf die Welt zu wahren Sympathieträgern. Die Erkenntnis, dass es zum Glücklichsein nicht viel braucht, ist eben ansteckend. Zweitens generiert Stauffers Stil vor allem den unwiderstehlichen Witz eines Schelmenromans: Die überbordende Realität trifft auf einen einfachen Geist und wird von diesem gefiltert. An der Bruchstelle zwischen den kollidierenden Niveaus entsteht im Falle Stauffers eine verschrobene, liebenswerte Art von Komik. Und so ist „Normal“ nicht nur ein Text über „normales Glück“, sondern auch eine Hilfestellung, es zu finden.
Michael Stauffer: Normal. Vereinigung für Normales Glück. 14,40€/ 78 Seiten. Urs Engeler Editor, Basel 2006.
Marcel Oliver, Ich-Erzähler des neuesten Prosastreichs des Schweizer Dichters Michael Stauffer, ist arbeitslos. Wer arbeitslos ist, hat viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie es weitergehen soll. Und ebenso viel Zeit, um die wahren Wünsche der Menschen zu analysieren. Marcel stellt fest, dass ein privater Anlagefond 18 Prozent seines Kapitals in Beteiligungen an religiösen Gemeinschaften investiert und schließt daraus: Die Menschen wollen spirituellen Halt und sie sind bereit, für dieses kleine bisschen Glück Geld zu bezahlen. Marcel Olivers Lehre zum „normalen“ Glück führt schließlich über das Wasser: „Ich stehe in der Natur, langsam setzt der Regen ein und dann leert sich meine Blase. Das ist der Hauptgedanke [...], diese Idee, dass die Natur mir vorausgeht und ich einfach der Natur hinterhergehen kann und dann wird alles gut, das ist es.“ Marcel gründet also eine Sekte, eine Anleitung zum Wohlfühlen, eine „Vereinigung für Normales Glück“. Er führt seine Jünger in den Regen, um sich kollektiv in die Hosen zu machen.
Michael Stauffer hat einen Blick für Banalitäten des Alltags. Dies bewies er bereits in seinen ersten beiden Prosawerken mit den episch langen Titeln „I promise when the sun comes up, I promise I’ll be true. So singt Tom Waits. Ich will auch Sänger werden.“ (2001) sowie „Haus gebaut, Kind gezeugt, Baum gepflanzt. So lebt ein Arschloch. Du bist ein Arschloch.“ (2003). Beide Werke stellten Ich-Erzähler in den Mittelpunkt, die versuchten, mit abstrusen Einfällen, Kalauern, aberwitzigen Logikexperimenten und skurrilen Projekten den Alltag zu füllen. Auch Marcel Oliver, der selbsternannte Sektenführer, macht hier keine Ausnahme: Er erprobt seine angeblichen telepathischen Fähigkeiten im Park, erfindet ein Baukastensystem für Kontaktanzeigen und schützt sein Fahrrad durch Androhung von Bußgeldforderungen. Kurz: Der Alltag ist schwer, doch man kann lernen, ihn zu meistern.
Vor allem kann man lernen, wie er zu beschreiben ist. Stauffers Erzähler wissen nämlich, dass die Realität erst erträglich wird, wenn man sie festschreibt. In knapper, einfacher Sprache fixiert Marcel Oliver seine Welt. Er beschreibt schnörkellos, fast naiv. Und genau in dieser Einfachheit liegt die Kraft dieser Prosa. Stauffer schafft es durch kurze, schmucklose Aussagesätze, die weder auf Stileffekte abzielen, noch poetischen Pomp fordern, die Realität seines Erzählers wiederzugeben. Die Banalität des Alltags findet so in ihre logische Form. Dieser Stil mag zwar gewöhnungsbedürftig sein, schafft jedoch schließlich vor allem zwei zentrale Effekte: Erstens werden Stauffers Figuren durch ihren vollkommen unkomplizierten Blick auf die Welt zu wahren Sympathieträgern. Die Erkenntnis, dass es zum Glücklichsein nicht viel braucht, ist eben ansteckend. Zweitens generiert Stauffers Stil vor allem den unwiderstehlichen Witz eines Schelmenromans: Die überbordende Realität trifft auf einen einfachen Geist und wird von diesem gefiltert. An der Bruchstelle zwischen den kollidierenden Niveaus entsteht im Falle Stauffers eine verschrobene, liebenswerte Art von Komik. Und so ist „Normal“ nicht nur ein Text über „normales Glück“, sondern auch eine Hilfestellung, es zu finden.
Michael Stauffer: Normal. Vereinigung für Normales Glück. 14,40€/ 78 Seiten. Urs Engeler Editor, Basel 2006.
creekpeople - 28. Nov, 11:11 - Rubrik: hide behind these books i read
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