Freitag, 11. März 2005

Zeitungsschnipsel

Bevor ich der fremdverwordneten Journalistentätigkeit nachkomme, noch schnell ein paa schöne Zeitungsfundstücke.

1. Sprachlicher Natur:
a) Merksatz-Agglutination an internationalen Gedenktagen:
Wirklich interessant, dass bei solchen Anlässen alle, die nach ihrer wohlformulierten Meinung gefragt werden, sich regelrecht aphoristisch überschlagen. Konkret diesmal wieder am Weltfrauentag. Von altbekanntem à la: "Brüste wachsen nicht einfach, Brüste bekommt man" bis hin zu einem zuckersüßen "Frauen wollen nicht nur ein größeres Stück des Kuchens, sondern die Hälfte der Bäckerei".
Das ist alles höchst unterstützenswert, macht aber gleichzeitig Appetit auf weitere Gedenktage. Den Tag des Apfels beispielsweise.

b)Wundervolle Formulierungen von Kulturjournalisten, die nicht wollen, dass man ihnen ihr Alter anmerkt:
Oder wie würden Sie es als Sänger einer Band finden, in der Zeitung zu lesen, dass sie für die Band als "Rampensau" agiern?

2.) Bildlicher Art:
Endlich eingescannt - nie übertroffen.

a) Das Bild zu diesem Blog. Stichwort: We are ugly but we have the music.
lerch1

b) Nachdem ich mich zur Zeit notgedrungen, aber doch begeistert mit Walther von der Vogelweide beschäftige: "Ahî wie kristenîche nu der babes lacht" (Dort ein bisschen runterscrollen, da kommt der Text dann). Man sollte Bild und Text kombinieren und daraus ein T-Shirt machen.
ahi wie kristenlichesmall

provinz ist fast überall

einmal im jahr muss man sich ja nicht so sehr schämen wie sonst, noch immer hier in der provinz zu versauern, denn da kommt die welt zu uns, genauer gesagt zu den tagen der neuen deutschsprachigen literatur. gestern ist der spaß zum inzwischen schon dritten mal losgegangen. am hinweg war eine straße übersäht mit papierschnipseln, wie sie bei papierwölfen anfallen, die der wind aus einem überquellenden altpapiercontainer über die ganze straße verteilte. das sah aus wie eine metapher für irgendetwas. in der selben straße ist mein lieblingsgeschäft, ein alarmanlagenshop, in dessen schaufenster lauter überwachungsmonitore stehen, in denen man sich selbst sehen kann.

im bierstindl habe ich zuerst ungefähr 1/4 stunde warten müssen, bis sie alle ihre beschissenen achterln bestellt und sich geeignet hatten, wer wen einlädt. beim engpass am spendenkorb mußte ich dann schon wieder warten, weil der freundliche ältere herr vor mir sich nicht sicher war, ob 10€ eine angemessene spende für ihn und seine lebensgefährtin sind und nach bangen minuten der selbstüberwindung die programmausteilefrau fragte, ob das genug sei. auch ansonsten war das publikum zum fürchten.

andreas maier eröffnete dann mit seinem neuen roman kirillow, mit einer ungemein bernhardesquen stelle, einer schlacht zwischen castor-gegnern und der polizei. dazu trug er einen sehr feschen, schwarzen pulli, dessen ärmel bis über die daumen gingen, ich wußte gar nicht, dass sowas schick aussehen kann. ich mußte während seiner ganzen leseung an "old soul song" denken, und wie schön romantisch straßenschlachtenschilderungen irgendwie immer sind.

clarissa stadler war so, wie zu erwarten war. sie hat übrigens keine ahnung von popmusik; sich zu "wolke der unwissenheit" zu lieben, ist unmöglich. und dann noch blumfeld unpassend zitiert, zurück zu start. ansonsten ist das vielleicht ganz nett gemeint, mehr was für ganz alte menschen halt.(man hat nur immer angst, sie wirklich böse zu kritisieren, gleich wie bei psychonanalyse, weil: wenn man sie kritisiert, beweist das nur, wie ertappt man sich von ihr fühlt.)

christoph w. bauer hat einen roman mit einem saublöden titel geschrieben und braucht dringend einen ordentlichen haarschnitt und schöne anziehsachen, aber ansonsten ist der sehr sympathisch. "aufstummen" müßte man sich direkt kaufen, und wer einfach (scheinbar) zufällige stellen aufblättert und mit kinskiesquer intonation liest, hat sowieso schon gewonnen.

pedro schweizer- und clownbonus lenz' kleines lexikon der provinzliteratur bis auf die ich-hab-den-witz-erkannt-lacher im publikum auch ganz nett, nur irgendwie ist einem eigentlich doch (und sei es in so überbetont betont poetischer sprache wie bei bauer) mittlerweile toternster ernst lieber, aber vielleicht war ich auch einfach nur schon müde. die zugabe über den lottogewinner war dann eh wieder ok.

robert renk ist natürlich der tradition gemäß souverän jedesmal mit seiner klagenfurt-einstiegs-frage eingefahren, und auch sonst waren alle da und guter laune, runde sache. am heimweg habe ich dann noch einmal "old soul song" und dann noch "poison oak" gehört. die papierfetzen waren noch weiter verstreut. hoffentlich ist heute (und morgen) das pulblikum weniger zum fürchten, der creekpeople wirds denn posten, wenn er nicht zu faul ist.

We are ugly but we have the music

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