1 Rezensent(en) gefällt das.
Dazu noch einmal Plastikman aus dem Hintergrund plötzlich: Jeder Mensch, den du einzeln betrachtest, weist, wenn du ihn aufmerksam genug betrachtest, Schwachstellen in Stil und Geist auf.
In einem, nunja, Schutzumschlag ist unlängst ein nicht nur der Farbe nach beurteilt hervorragendes Buch erschienen. Naturgemäß gleichen sich alle Rezensionen.
Zuerst wird (wie im Verlagswerbetext) das Grundprinzip der Appropriation erläutert: Die seit vier Jahren in Wien lebende, heute 28-jährige Belgrader Autorin und Germanistin Barbi Markovic veröffentlichte vor vier Jahren bei einem serbischen Verlag mit Ausgehen eine Paraphrase auf Thomas Bernhards Erzählung Gehen. Sie nahm dabei die Sprache und den Duktus des Autors und übertrug die grimmigen Dialoge dreier älterer Herren während ihrer Spaziergänge auf der Klosterneuburger Straße in Wien und dem Durchdrehen eines Protagonisten im Rustenschacher'schen Hosenladen auf drei junge Clubberinnen im Belgrader Nachtleben.
Als täte sie was zur Sache, wird im Folgenden die "Handlung" nacherzählt (Statt Gehen ist Ausgehen angesagt – oder auch nicht, denn eine Figur beschließt eines Nachts, nicht mehr auszugehen. Ihre beiden Freundinnen bleiben zurück und denken an die Ex-Clubberin, die nur mehr vor dem Fernseher sitzt und sich der totalen Entspannung annähert, zurück.) oder erklärt, wer Plastikman ist.
Darauf folgen meist (je nach verfügbaren Anschlägen) einige oder mehrere von den RezensentInnen für besonders gelungen erachtete Zitate: Während ich, bevor Bojana vom Clubben genug hatte, nur am Samstag mit Milica ausgegangen bin, gehe ich jetzt, nachdem Bojana vom Clubben genug hat, auch am Sonntag mit Milica aus. Weil Bojana am Sonntag mit mir ausgegangen ist, gehst du jetzt, nachdem Bojana am Sonntag nicht mehr mit mir ausgeht, auch am Sonntag mit mir aus, sagt Milica, nachdem Bojana jetzt genug hat und vor der Glotze klebt. | Wir haben nicht die Möglichkeit, das Belgrader Clubbing zu verlassen. Wir können nicht über Nichtverbleib oder Verbleib entscheiden. Alles was wir tun, ist nichts. Alles, was wir einatmen, ist nichts. Wenn wir ausgehen, gehen wir von einem Belgrader Club zum nächsten. Wir gehen und gehen immer von einer schlechteren Möglichkeit zur nächsten. Wegziehen, nichts anderes als aus dieser Stadt wegziehen, wiederholte Bojana, so Milica, immer wieder.
Als optionale Ergänzung machen sich Hinweise auf die Biographie der Autorin gut (Verlassen hat sie Belgrad dann doch, und noch immer scheint sie froh darüber zu sein. Nach Wien kam sie, um „wirklich Deutsch sprechen zu lernen“. Frei zu plaudern, erzählt Markovic, sei ihr lange schwergefallen – trotz des in Belgrad begonnenen Germanistikstudiums, das sie demnächst an der Wiener Universität beenden will.) oder auf die (ohja!) kongeniale Leistung der Übersetzerin Mascha Dabić (Dabić hat das zunächst 2006 in einem Belgrader Verlag publizierte "„Izlazenje" ins Deutsche übersetzt, und zwar so großartig, dass ihr eigentlich eine Nennung als zweite Autorin gebühren würde.).
Die NZZ findet das alles natürgemäß etwas mager. Die übrigen Rezensionen bringen an dieser Stelle natürlich das berechtigte Lob an, dass nicht nur die Idee sharp ist, sondern sich Ausgehen auch flüssig liest / es Style hat: Es passiert selten, dass einen ein Buch nicht nur anspricht und unterhält, womöglich noch auf intelligente Weise, sondern bei der Lektüre von der ersten Seite und vom ersten Satz an zu überraschen versteht. | Dieser Sound geht ins Mark - vor allem aber geht er ins Bein | So hat Marković ihren eigenen Bernhard-Text geschrieben, der sehr nahe am Original und dennoch keine Kopie ist. „Ausgehen" entfaltet auch für sich gelesen eine enorme Sogkraft - wobei es dem Lesespaß natürlich nicht abträglich ist, wenn man „Gehen" gelesen hat.
Darauf, dass Barbi Marković auf Facebook FreundInnen namens Miloś und Bojana hat (wie zwei der Hauptfiguren in Ausgehen heißen), gehen die RezensentInnen natürlich nicht ein, weil sie im Germanistikstudium gerlernt haben, dass man die AutorIn und die ErzählerIn nicht vermischen darf (oder vielleicht haben sie nur nicht dran gedacht, nachzuschauen).
Hätten wir jedenfalls Ausgehen rezensieren müssen, wir hätten es auch nicht anders gemacht. Bleiben nur zwei Fragen: Was sollen eigentlich diese Track-Namen zwischendurch? Und wer ist dabei, Ausgehen in Aussitzen zu übersetzen, ins Heute, hierher, ins Netz?
Material: (#) | (#) | (#) | (#) | (#).
Ausgehen von Barbi Marković, aus dem Serbischen von Mascha Dabić ist bei Suhrkamp in Frankfurt am Main erschienen
Man muss wissen, sagt Oehler, alle Sätze, die gesprochen werden und die gedacht werden und die es überhaupt gibt, sind gleichzeitig richtig und gleichzeitig falsch, handelt es sich um richtige Sätze.
In einem, nunja, Schutzumschlag ist unlängst ein nicht nur der Farbe nach beurteilt hervorragendes Buch erschienen. Naturgemäß gleichen sich alle Rezensionen.
Zuerst wird (wie im Verlagswerbetext) das Grundprinzip der Appropriation erläutert: Die seit vier Jahren in Wien lebende, heute 28-jährige Belgrader Autorin und Germanistin Barbi Markovic veröffentlichte vor vier Jahren bei einem serbischen Verlag mit Ausgehen eine Paraphrase auf Thomas Bernhards Erzählung Gehen. Sie nahm dabei die Sprache und den Duktus des Autors und übertrug die grimmigen Dialoge dreier älterer Herren während ihrer Spaziergänge auf der Klosterneuburger Straße in Wien und dem Durchdrehen eines Protagonisten im Rustenschacher'schen Hosenladen auf drei junge Clubberinnen im Belgrader Nachtleben.
Als täte sie was zur Sache, wird im Folgenden die "Handlung" nacherzählt (Statt Gehen ist Ausgehen angesagt – oder auch nicht, denn eine Figur beschließt eines Nachts, nicht mehr auszugehen. Ihre beiden Freundinnen bleiben zurück und denken an die Ex-Clubberin, die nur mehr vor dem Fernseher sitzt und sich der totalen Entspannung annähert, zurück.) oder erklärt, wer Plastikman ist.
Darauf folgen meist (je nach verfügbaren Anschlägen) einige oder mehrere von den RezensentInnen für besonders gelungen erachtete Zitate: Während ich, bevor Bojana vom Clubben genug hatte, nur am Samstag mit Milica ausgegangen bin, gehe ich jetzt, nachdem Bojana vom Clubben genug hat, auch am Sonntag mit Milica aus. Weil Bojana am Sonntag mit mir ausgegangen ist, gehst du jetzt, nachdem Bojana am Sonntag nicht mehr mit mir ausgeht, auch am Sonntag mit mir aus, sagt Milica, nachdem Bojana jetzt genug hat und vor der Glotze klebt. | Wir haben nicht die Möglichkeit, das Belgrader Clubbing zu verlassen. Wir können nicht über Nichtverbleib oder Verbleib entscheiden. Alles was wir tun, ist nichts. Alles, was wir einatmen, ist nichts. Wenn wir ausgehen, gehen wir von einem Belgrader Club zum nächsten. Wir gehen und gehen immer von einer schlechteren Möglichkeit zur nächsten. Wegziehen, nichts anderes als aus dieser Stadt wegziehen, wiederholte Bojana, so Milica, immer wieder.
Als optionale Ergänzung machen sich Hinweise auf die Biographie der Autorin gut (Verlassen hat sie Belgrad dann doch, und noch immer scheint sie froh darüber zu sein. Nach Wien kam sie, um „wirklich Deutsch sprechen zu lernen“. Frei zu plaudern, erzählt Markovic, sei ihr lange schwergefallen – trotz des in Belgrad begonnenen Germanistikstudiums, das sie demnächst an der Wiener Universität beenden will.) oder auf die (ohja!) kongeniale Leistung der Übersetzerin Mascha Dabić (Dabić hat das zunächst 2006 in einem Belgrader Verlag publizierte "„Izlazenje" ins Deutsche übersetzt, und zwar so großartig, dass ihr eigentlich eine Nennung als zweite Autorin gebühren würde.).
Die NZZ findet das alles natürgemäß etwas mager. Die übrigen Rezensionen bringen an dieser Stelle natürlich das berechtigte Lob an, dass nicht nur die Idee sharp ist, sondern sich Ausgehen auch flüssig liest / es Style hat: Es passiert selten, dass einen ein Buch nicht nur anspricht und unterhält, womöglich noch auf intelligente Weise, sondern bei der Lektüre von der ersten Seite und vom ersten Satz an zu überraschen versteht. | Dieser Sound geht ins Mark - vor allem aber geht er ins Bein | So hat Marković ihren eigenen Bernhard-Text geschrieben, der sehr nahe am Original und dennoch keine Kopie ist. „Ausgehen" entfaltet auch für sich gelesen eine enorme Sogkraft - wobei es dem Lesespaß natürlich nicht abträglich ist, wenn man „Gehen" gelesen hat.
Darauf, dass Barbi Marković auf Facebook FreundInnen namens Miloś und Bojana hat (wie zwei der Hauptfiguren in Ausgehen heißen), gehen die RezensentInnen natürlich nicht ein, weil sie im Germanistikstudium gerlernt haben, dass man die AutorIn und die ErzählerIn nicht vermischen darf (oder vielleicht haben sie nur nicht dran gedacht, nachzuschauen).
Hätten wir jedenfalls Ausgehen rezensieren müssen, wir hätten es auch nicht anders gemacht. Bleiben nur zwei Fragen: Was sollen eigentlich diese Track-Namen zwischendurch? Und wer ist dabei, Ausgehen in Aussitzen zu übersetzen, ins Heute, hierher, ins Netz?
Material: (#) | (#) | (#) | (#) | (#).
Ausgehen von Barbi Marković, aus dem Serbischen von Mascha Dabić ist bei Suhrkamp in Frankfurt am Main erschienen
Man muss wissen, sagt Oehler, alle Sätze, die gesprochen werden und die gedacht werden und die es überhaupt gibt, sind gleichzeitig richtig und gleichzeitig falsch, handelt es sich um richtige Sätze.
assotsiationsklimbim - 9. Jun, 21:23 - Rubrik: hide behind these books i read
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Trackback URL:
https://creekpeople.twoday.net/stories/5752252/modTrackback